17.10.2010 | Verschollene Kirchenbücher von Hahnbach wiederentdeckt und editiert
Ausgehend von dem Hahnbacher Heimatpfleger Ludwig Graf hatte er die lange als verschollen geglaubten Kirchenbücher für Profis und Laien im Faksimiledruck und in Übersetzung binden lassen.
Alles begann äußerst geheimnisvoll mit einer einfachen Plastiktüte, welche eines Tages im Hahnbacher Rathaus von unbekannt abgegeben wurde. In ihr befand sich ein dickes Bündel altes Papier.
Diese Blätter waren offensichtlich mehrere Jahrhunderte alt und auch durch einen Wasserschaden bröselig wie trockenes Laub. Da niemand etwas damit anzufangen wusste, wurde die Tüte dem Heimatpfleger Ludwig Graf mit den Worten „Vielleicht kannst du was damit anfangen“ überreicht.
Hier kommt nun Andreas Sichelstiel ins Spiel. Er stellte fest, dass es sich dabei um Kirchenbuchoriginale der Jahre 1662 bis 1680 bzw. 1728 bis 1747 handelte, genauer gesagt um Taufeinträge, die selbst im Diözesanarchiv in Regensburg unbekannt waren.
Als im Jahr 1971 Bischof Rudolf Graber anordnete, dass alle Kirchenbuchoriginale der Pfarreien zur Sicherung ins bischöfliche Archiv zu bringen seien, war man bereits auf die nun geschlossene Lücke gestoßen.
Als nun diese Schriften so unvermittelt wieder auftauchten, galt es zuerst diese in ihrem Bestand zu sichern. Sichelstiel setzte Bruchstücke der hauchdünnen Blätter sorgfältigst und „praktisch mit Samthandschuhen“ zusammen und scannte Seite um Seite in den Computer ein. Später schrieb er die lateinischen und oft in unleserlicher Handschrift geschriebenen Texte in mühsamer Kleinarbeit ab und übersetzte die darin enthaltenen Einträge auf deutsch.
Zwei lange Jahre arbeitete der Hobbyforscher in seiner Freizeit ehrenamtlich und autodidaktisch an den Taufeintragungen samt den dazugeschriebenen Kommentaren.
Zusätzlich erstellte er ein äußerst praktisches Register, in dem die Nennungen aller vorkommenden Namen und den außerhalb der Pfarrei gelegenen Orten sogar bis nach Recklinghausen erfasst sind.
Auch altes Geschichtswissen sei dabei zu Tage gekommen, erläuterte Andreas Sichelstiel. So könnte man bei genauem Betrachten nicht nur illegitime Kinder identifizieren, sondern auch Eintragungen von Kindern durchziehender Soldaten und vieles mehr finden.
Selbst klimatische Auskünfte geben die Taufbücher, wenn nämlich z.B. bemerkt werde, dass ein Kind "wegen zu großer Kälte in Iber getauft" worden sei, und nicht, wie eigentlich vorgeschrieben, nach Hahnbach gebracht werden musste.
Die zwei nun vorliegenden Bände inkl. der Digitalisate überreichte Andreas Sichelstiel auch im Namen von Ludwig Graf an Pfarrer Thomas Eckert. Er betonte, dass dieses Material zusammen ins neue Pfarrarchiv einziehen wird.
Der Heimatpfleger Ludwig Graf überließ zudem ein für den Markt und Pfarrei Hahnbach äußerst wertvolles Häuserbuch, das zusammen mit den erstellten Büchern übergeben wurde. Um 1900 fertigte es der damalige Pfarrer Franz Seraph Kutschenreiter unter Zuhilfenahme sämtlicher Kirchenbücher für das Pfarreigebiet an.
Dieses Häuserbuch war ebenfalls in dem eingangs erwähnten Plastikbeutel als Loseblattsammlung enthalten. Ludwig Graf machte sich daran, das Buch zu ordnen und ihm eine würdige Bindung zukommen zu lassen. Von diesem Werk wurde ebenfalls eine digitale Kopie mit überreicht.
Diese "einmalige und wertvolle Arbeit" sei nun ebenfalls leichter zugänglich und könne so als "hervorragende Quelle für die Familienforschung" dienen, explizierte Sichelstiel.
Pfarrer Thomas Eckert, Bürgermeister Hans Kummert und Kirchenpfleger Konrad Huber waren restlos begeistert von der präsentierten akribischen Feinstarbeit und dankten herzlichst für den "gehobenen Schatz".
Nach seiner Motivation gefragt, meinte Andreas Sichelstiel, dass er sich schon länger für Familienforschung interessiere und als er diese "im Leben einmalige Chance einer Rettung von Originalen in offensichtlich letzter Minute" begriffen habe, habe er einfach "angefangen".
Schritt für Schritt und mit viel Geduld sei er dann immer tiefer in die Geschichte der "lebendigen Bausteine der Pfarrei" eingedrungen und "einmal infiziert" hatten ihn selbst die sich summierenden Ausgaben nicht mehr geschreckt.
Bürgermeister Hans Kummert bot ohne Umschweife an, die Unkosten zu decken. Andrea Sichelstiel spendete den Betrag von über 500 Euro jedoch großherzig dafür, dass die Microfiches der weiteren Kirchenbücher Hahnbachs von 1572 bis 1900 vom bischöflichen Archiv in Regensburg angekauft werden können und auch ein Lesegerät angeschafft wird.
Mit mehrfachem "Vergelt's Gott" sagte Pfarrer Eckert dies zu und Andreas Sichelstiel überreichte ihm noch ein "Extrageschenk", eine Auflistung der in Regensburg vorhandenen Hahnbacher Kirchenbücher mit genauen Angaben des Umfangs und auch der noch vorhandenen Lücken.
Bald werden die nun aufgefundenen Originale dem Leiter des Diözesanarchivs Dr. Paul Mai übergeben werden, der sie sach- und fachgerecht in klimatisierten und gesicherten Räumlichkeiten aufbewahren wird. Natürlich betont Andreas Sichelstiel „erhält das Archiv ebenfalls zwei Kopien der Arbeit“, damit auch in Regensburg die wiederentdeckten Originale benutzt werden können.
Andreas Sichelstiel überreichte auch im Namen von Ludwig Graf an Pfarrer Thomas Eckert, Kirchenpfleger Konrad Huber und Bürgermeister Hans Kummert (v.l.n.r.) den "wieder entdeckten und gehobenen Schatz" jahrhundertealter Kirchenbücher der Pfarrei Hahnbach und Pfarrer Kutschenreiters Auswertung von alten Kirchenbüchern
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