Kurioses und Skurriles aus der Hahnbacher Marktgeschichte

Geschrieben von mma am . Veröffentlicht in Nachrichten zu Hahnbach.

Dr. Georg Hubmann berichtet in der Chronik des Marktes Hahnbach folgende skurrile Begebenheit: „ Am 7. Juni 1440 starb im Dorfe Schalkenthan ein Bauer. Als man ihn auf den Friedhof in Hahnbach ins Grab legen wollte, fing es im Sarg zu rumoren und dumpf zu brüllen an. Da entsetzte sich die versammelte Volksmenge, bekreuzte sich und nahm in Schrecken reiß aus.

Totenkarren

Selbst der Pfarrer erblasste und wusste sich anfangs nicht zu fassen, blieb aber doch am Platz und sprach den Exorzismus. Endlich fasste ein beherzter Bürger den Mut, mit Hilfe des Grabmeisters den zugenagelten Sarg zu öffnen, was mit Mühe und erst nach einiger Zeit gelang.

Die Leiche lag umgewendet, das Gesicht nach unten, der Rücken nach oben gekehrt. Es zeigte sich, dass der arme Bauer als Scheintoter in den Sarg gelegt wurde und erst darin kurz vor der Wegnahme des Deckels erstickt war. Dieser Vorfall, der viel unsinniges Gerede zur Folge hatte, scheint aktenmäßig konstatiert worden zu sein, wie aus einem einschichtigen Aktenblatt, das mir aus einem Kramladen zufällig in meine Hände geriet, zu schließen ist.“.

Die Tatsache, dass die Hahnbacher gerne „unter sich“ blieben und auch oft noch bleiben, ist nicht neu. Im 17. Jahrhundert wurde dies bei der Aufnahme ins Bürgerrecht ganz genau geprüft. Ob die beantragende Person auch „würdig“ sei, zeigte sich ganz konkret in Form von „echtem Trinkgeld“.

Neben der Quellenedition von Dr. Josef Weiß-Cemus hat auch Ludwig Graf, Hahnbachs erster Heimatpfleger, dazu einen detaillierten Bericht mit einer akkuraten Recherche im Eisengau Nr. 36/2011, S. 20 ff veröffentlicht.

(28 Bände des Eisengaus mit heimatkundlichen Beiträgen kann man übrigens seit Kurzem im Hahnbacher BuchHaus ausleihen.) Dort finden sich darüber hinaus mehrere interessante Artikel von Graf, Marianne Moosburger und dem Irlbacher Heimatforscher Andreas Sichelstiel.

Ja, das Bürgerrecht konnte man ererben oder es wurde einem verliehen. Angeheiratete, auswärtige Aydams, also Schwiegersöhne, erhielten es aber auch zur „Kopulierung“, sprich Hochzeit. Wie alle anderen Antragsteller mussten auch sie innerhalb eines Monats nachweisen, dass sie ehelich geboren wurden.

Da das „Hereinheiraten“ Anfang des 17. Jahrhunderts aber offensichtlich ziemlich zunahm, bekamen die Hahnbacher nun Angst vor den „Folgekosten“. Deshalb wandten sie sich mit einem offiziellen Antrag an den Statthalter und Landrichter von Amberg, Reinhard Graf von Solms. Sie wollten erreichen, dass „das Handwerk ihrer (angeheirateten) Männer der Gemeinde nicht beschwerlich“ werden dürfe, sie also dem Markt durch Nichtstun oder Verarmung nicht „teuer zu stehen“ bekämen. Dies wurde aber zum Leidwesen der Hahnbacher durch Amberg abgelehnt.

So erhielt der Seidenbortenweber Martin Trösch sein Leumundszeugnis, also den Nachweis der Anständigkeit, für eine Gebühr in Höhe von 14 Gulden (eine Kuh wurde auf 5 Gulden angesetzt), die er aber in zwei Raten zahlen „durfte“. Zusätzlich war es aber geboten, den Herren des Rats und dem Bürgermeister insgesamt drei Gulden „zum Vertrinken“ zu spendieren, was jener auch „bereitwillig“ tat (S. 603).

Der Bäcker Veith Trösch und der Gerber Leonhard Reng bezahlten bald danach schon jeweils 16 Gulden für ihr Leumundszeugnis, welches ja ihre Redlichkeit beweisen sollte. Nach „altem Brauch“ „verehrte jeder neue Bürger den Herren des Rats und dem Bürgermeister eine Maß Wein.“

Am 8. September 1614 heißt es, dass „dies ein alter Brauch (sei), welcher fortan wohl in Acht zu nehmen ist.“ Die Einschreibgebühr für jenes Trinkgeld legte man mit drei Kreuzern fest.

Veith Trösch taucht in den Annalen noch einmal auf, da er „zu weit auf Gemeindegrund gebaut“ hat“ (S. 633). Allerdings sind keine Konsequenzen festgehalten.

Doch von einem (weiteren?) Martin Trösch ist vermerkt, dass er sich bei seiner Einbürgerung „dieser Verehrung verweigerte“. Er meinte gar, „es sei ein Hirschauer Possen, wenn er zwei Bürgerechte ausgeben solle“. Die Konsequenz? „Als Strafe für diese Bemerkung kam er zwei Tage auf den Turm“ (S. 604). Ob er dadurch eine „Spendierhose“ bekommen hat, ist allerdings nicht überliefert.

Am 18.Mai 1609 verlangt der Schreiner Hans Rösch, das man ihm das Bürgerecht zusage und ein Jahr „aufhalte“, so dass er also wieder innerhalb eines Jahres als Bürger nach Hahnbach zurückkehren könne, ohne die ansonsten fälligen Gebühren bezahlen zu müssen. Zwar erklärt der Rat, dass man dieser Bitte nachkommen wolle, obwohl er „sich am fremden Ort verheiratet und das Bürgerreicht (so) verzogen habe“. Eine Gebühr von vier Gulden werde aber dennoch fällig.

„Wegen seiner ungebührlichen Reden“ wird dem Bader Hans Rupp 1609 ein Monat Aufschub für die Rückkehr nach Hahnbach auferlegt, das Bürgerrecht blieb ihm aber „auf ein Jahr aufgehalten“. Im gleichen Jahr möchte Erhard Metzner aus Danzig zurück nach Hahnbach. Dies kostete ihm „zwei Thaler Taxe“ (Weiß-Cemus, S. 630, Anmerkung 194).

„Nach der Verleihung folgte die Verpflichtung“, schreibt Ludwig Graf. „Dabei wurden die angehenden Bürger ernstlich ermahnt, Gottes heiligen Namen Ehre zu befördern und sein heiliges Wort inständig anzuhören, sich fleißig beim Unterrichte einzufinden und ihr ganzes Leben darnach einzurichten. Sie sollten Jedem das Berechtigte geben, dem Churfürsten und seine Beamten wie nicht minder einem ehrsamen Rathe Gehorsam leisten und das Beste des Fürsten fördern.

Verbotenen Versammlungen sollten sie nicht beiwohnen und in Kriegsempörung, Aufruhr, Feuer und Wassernoth sich hilfreich erweisen. Der Schluss lautete: Sollet derowegen einen Handstreich thun und einen leiblichen Eid also beschwören: Alles das, so mir jetzt vorgehalten worden, welches ich wohl verstanden, dem soll und will ich treulich, ehrbar und redlich nachkommen und geloben, so wahr mir Gott helfe, der Allmächtige. (Als der Markt nach 1626 wieder katholisch wurde, hieß der Schluss dann: So wahr mir Gott helfe und all‘ seine Heiligen). (Eisengau 36, Graf, S. 23).

Gar manche wollten (und wollen) Hahnbacher werden, doch dann mussten sie sich auch an allerlei Auflagen halten. So war zum Beispiel die Anzahl der Ochsen, Kühe, Ziegen und Schafe sehr wohl begrenzt (Eisengau 36, Graf, S. 29). Oder erwarb man durch „Leykauf“, also Pacht, z.B. den vor der Kirche ausgerufenen Gemeindeweiher, so gehörte „nach altem Herkommen“ auch das Ausrichten eines (allgemeinen) Fischessens dazu. Die Gemeindefelder aber wurden verlost und das Streurechen war „fremden Personen“ und zu bestimmter Zeit „ausdrücklich“ verboten.

Ja, gerne gezecht haben sie auch (nicht nur) damals gern, die Hahnbacher. So hat Pfarrer Franz Seraph Kutschenreiter in den Ratsprotokollen festgehalten, dass am 3. November 1615 eine Vermarkung von 67 Marksteinen zwischen Hans Roger, dem Älteren und einem A. Winkler stattfand. Die Kosten hierfür betrugen 1 Gulden, 7 Schilling und 7 Pfennig. Für die „Zehrung“, die Verköstigung allerdings musste viermal so viel, nämlich 4 Gulden 15 Kreuzer ausgegeben werden (S. 607).

Ihre Probleme und Streitereien lösten die Hahnbacher auch öfters etwas „unkonventionell“.

So wird 1607 vom Metzger und Rathauswirt Ulrich Iberer berichtet, dass ihm sein „Kollege“ K. Porst „sogar im Pfarrhof“ vorwarf, dass er „Schelmenfleisch (Fleisch von verendeten Tieren) geschlachtet und Unschlitt (Talg aus Tierkadavern) beim Schäfer, dem Abdecker, gekauft“ habe. Natürlich hat Iberer dem allen widersprochen. Doch Post verwies auf die „allgemeine Sag“, also umgehende Gerüchte, und die Aussage des Abdeckers.

Der Rat hatte nun zu entscheiden und er kam zu einem salomonischen Urteil: „Da es sich beiden nicht gebühret, sich in dergleichen Gezänk einzulassen, sonderlich (insbesonders) an beschehenem Ort (also dem Pfarrhof), so sollen sie sich einander christlich verzeihen und zur Strafe eine eiserne Feuerpfanne an die Gassenecke machen lassen.“ Jene Feuerpfannen dienten zur Aufnahme von Talg zur nächtlichen Straßenbeleuchtung und damit konnte auch die Allgemeinheit von jenem Urteil profitieren.

Flott und manchmal ein wenig zu hektisch, waren (früher) auch einige Bürger, wohl auch ein Hans Kelbl/ Kölbl, Torwächter am Oberen Tor. Weil er offensichtlich nicht schnell und umgehend das Tor aufgemacht habe, so klagt er vor dem Rat, habe ihn der Hans Niller geschlagen. Geahndet wurde dies für Niller „mit einem Tag und einer Nacht auf dem Turm“. Zusätzlich musste dieser auch noch „drei Fuhren Pflastersteine fahren“, die wohl für das Ausbessern des berühmt-berüchtigten Hahnbacher Straßenpflasters bestimmt waren (S. 611).

Eine „Maultaschn“, sprich Ohrfeige, kostete dem Täter einen Gulden, ebenso wenn man am Sonntag Getreide eingefahren oder eine andere Feldarbeit verrichtet hatte. Auch das Grasenlassen von Tieren am Sonntag wurde so bestraft oder „es werden die Kinder eingesperrt“ (Eisengau 36, Graf, S.48).

Natürlich gab es auch die Breche (Pranger) für Kirchenstrafen, zum Beispiel wenn man „Sakrament“ geflucht hatte oder den Pranger und die Halsgeige. Zwei Tage lang musste diese zum Beispiel eine Frau tragen, die der Frau des Bürgermeisters unsittlichen Verkehr mit dem Büttner (Faßmacher) vorgeworfen hatte. Zwar entschuldigte sie sich damit, dass sie betrunken gewesen sei, doch um eine „christliche Abbitte“ und zusätzliche Zeugenkosten kam sie nicht herum.

Halsgeige


1616 verklagt Balthasar Bauer von Süß zwei Burschen, weil sie seine Tochter geschlagen hatten „daß ihr die Hauben herabgefallen“.

Mädchen mit Haube

Die Beklagten versuchten sich damit zu entschuldigen, dass jenes Mädchen geschrien habe: “Da laufen Diebe herum!“ Darauf hätten sie ihr „Teschkappen“, wohl „Kopfnüsse“, gegeben. Der Rat ließ die mutwilligen „Lecker“ alsbald bis zum nächsten Morgen ins Löchl stecken. Als sie aber danach auch noch sagten, dass es sie reue „nicht besser zugeschlagen zu haben“, wurden sie noch einen weiteren Tag eingesperrt.

10 Kreuzer Strafe oder ins Gefängnis hießt es auch für mehrere Bürger, die „wie die Drescher“, nämlich „barschenkel“, also in kurzen Hosen, vor dem „ganz ehrbaren Rath“ erschienen waren. Hahnbachs erster Heimatpfleger Ludwig Graf schließt seine Ausführungen, damit, dass „in der guten alten Zeit“ die Bevormundung offensichtlich viel größer war als heute, dies aber viel zu oft vergessen werde. Also: „Samma z‘friedn!“