Ludwig Thoma – Literat und Stammtischpolitiker, Vortrag mit Diskussion bei der FU-Gebenbach

Geschrieben von sli am . Veröffentlicht in Nachrichten zu Hahnbach.

Mit Prof. Dr. Gertrud M. Rösch wurde eine Expertin gewonnen, deren akademische Laufbahn von Ludwig Thoma begleitet wird

Die FU-Gebenbach konnte letzten Freitag, 4. November, zahlreiche Zuhörer:innen im Gasthaus Obermeier zur Veranstaltung begrüßen.

Thomas Werke besitzen heute noch Relevanz, dies zeigt die unlängst angekündigte Spielmitteilung der Buchbergbühne, die das Drama „Der Wittiber“ nächstes Jahr aufführen wird.

Ludwig Thoma (1867-1921) erhielt schon viele Charakterisierungen – zu Lebzeiten und noch mehr nach seinem Tod.

Er war einer der wichtigsten Satiriker des Kaiserreichs, weil er an der Zeitschrift ‚Simplicissimus‘ mitwirkte. Zugleich schrieb er Romane über bäuerliches Leben, die Leser auch außerhalb Bayerns beeindruckten; besonders seine Komödien fanden ein begeistertes Publikum zu Lebzeiten und auch heute noch.

Zu seinem 50. Geburtstag 1917 wurde er schon als Bayerndichter gefeiert, als der er auch nach 1945 vor allem gelesen wurde. Diesen sehr produktiven Autor stellte Gertrud Maria Rösch am Freitag, 4. November, abends um 19.30 Uhr im Gasthaus Obermeier ‚Zur blauen Traube‘ in einem einstündigen Vortrag als einen Extremaufsteiger vor.

Rösch, selbst aus Gebenbach stammend, hat 1989 in Regensburg über diesen Autor promoviert und wählte den Blickwinkel auf seine Biographie, um von da auch seine Dichtung zu erhellen.

Als der Vater 1874 an einem Herzschlag starb, wurde das zur „Urkatastrophe“, denn die Familie verlor ihr Auskommen und hätte abrutschen können in Armut. Zwar bewahrte die Tüchtigkeit der Mutter die Familie vor einem solchen Schicksal, aber die Geschwister wurden getrennt und zu Verwandten geschickt.

Dieser frühe Verlust machte aus Thoma einen Schulversager, der aber seine Erlebnisse später in den ‚Lausbubengeschichten‘ beschreiben und damit bewältigen konnte, so Rösch.

Durchgehend gestaltet er seine Lebenswendungen dichterisch, um sie zu verarbeiten, so auch die Ehe mit einer Berliner Tänzerin, Marietta di Rigardo, die 1907 zustande kam, aber 1911 schon geschieden wurde – folglich sah Thoma sich als vereinsamten Mann und schrieb darüber seinen Roman ‚Der Wittiber‘ (1911).

Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich durch disziplinierte Kreativität schon zum Millionär hochgearbeitet, der sich ein stattliches Haus oberhalb des Tegernsees leisten konnte, das Dienstboten für ihn versorgten.

Ungeheuer wirkungsvolle und heute noch beliebte Satiren wie ‚Der Münchner im Himmel‘ und die Filser-Briefe, die Komödie ‚Moral‘ (1908) und die Tragödie ‚Magdalena‘ (1912) entstanden in rascher Folge.

Aber der extreme Aufstieg machte ihn auch einsam und hinterließ eine Unsicherheit, ob dieser Wohlstand tatsächlich dauerhaft sein würde. Hier sei, so die Referentin, eben jene letzte Phase in seinem Leben zu klären, als er im Krieg als Sanitäter an der Front Dienst tat und nach 1919 als anonymer Leitartikler des rechtsgerichteten ‚Miesbacher Anzeigers‘ auftrat.

Er war ein Konservativer, der durch die Wilhelminische Gesellschaft eine Grundorientierung erhalten hatte, die Aggression und Militarismus umfasste, ebenso den Wunsch nach klaren Fronten und die Unfähigkeit, einmal erworbene Prägungen zu revidieren.

Seine hetzerischen Artikel waren sein politischer Selbstmord und sind am ehesten mit seiner Verunsicherung und mit seiner Angst vor dem Verlust von Tradition und Ordnung zu erklären.

Was sich an ihm verfolgen lässt, und das rechtfertigt nach Gertrud Maria Rösch auch das starke Schlaglicht auf seine Biographie, ist die Genese radikalen Handels. Mit dieser Frage sind unser politisches Gemeinwesen und unsere Justiz weiterhin konfrontiert, und daher ist der Fall Ludwig Thoma auch heute ein Exempel, über das sich zu reden lohnt.

Vor allem aber lohnt sich eines – wieder einmal Thoma lesen!

Der Abend schloss mit einer Rezitation aus dem Roman ‚Andreas Vöst‘ (1905), in den Thoma ein weihnachtliches Kapitel einfügte, dessen Aussage – Christus kam für die Armen in die Welt – schon die spätere Versdichtung ‚Heilige Nacht‘ (1915) anklingen lässt.

Von Gertrud Maria Rösch stammt auch ein weiteres Buch über den Autor: Ludwig Thoma. Der zornige Literat. Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 2012.

Der Vortrag wurde musikalisch von den AOVE-Veeharfen umrahmt