Vilseck: Kultur und Humor - Stadtführung mit Tschung

Am vorletzten Tag des Jahres ist es in Vilseck Tradition, dass der Nachtwächter mit Hellebarde und Laterne seine Runde dreht. Diesmal wurde er von einer 74-köpfigen Schar interessierter Zuhörer begleitet.

„Hom alle zohlt? Naou kann i hamgöih“, schmunzelt Josef Eierer, alias Tschung, zu Beginn. Er ist aber dann doch froh, dass er so viele Besucher aus Nah und Fern begrüßen kann. Es wäre ihm ja gar nicht recht, wenn er sein Wissen nicht an den Mann beziehungsweise die Frau bringen könnte. Bei Minusgraden lauschen auch Kinder jeden Alters gut eingepackt seinen humorvollen Ausführungen.

„Bis 1007 reicht die Geschichte zurück, als Vilseck zu Bamberg kam und 1331 zur Stadt erhoben wurde“, führt Tschung aus. „Mit einer 948 Meter langen Stadtmauer und vier Toren umgeben, konnten sich die Bewohner einigermaßen sicher fühlen. Jedoch von Bränden war man nie gefeit, denn die Häuser waren größtenteils aus Holz.

Der Nachtwächter, der sieben Mal nachts durch die Straßen ging, hatte für Ruhe und Ordnung zu sorgen und zu jeder vollen Stunde die Zeit anzusagen“.

Am Wünnenberg-Haus erzählt Tschung von Lola Montez, der Mätresse König Ludwigs I , die mit ihrem Begleiter Elias Peißner aus München fliehen musste. Peißner, Sohn des damaligen Vilsecker Turmwächters, logierte mit ihr einige Tage in dem schmucken Haus am Marktplatz und wanderte dann mit Lola in die USA aus. Die hier stationierten Amerikaner seien so begeistert vom Wünnenberghaus, berichtet Tschung, dass sie es am liebsten abreißen und mit in ihre Heimat nehmen würden.

Am Brunnen, wo sich alle um den Stein gruppieren, lässt der Nachtwächter, gewürzt mit Pointen, die Sage vom Teufelstein einfließen. Beim Pflegschloss in der Herrengasse weiß er von Stolpersteinen und Spionen zu berichten. Durch das Weihertor, durch das einst die Goldene Straße führte, gelangt man in den neu gestalteten Turmgarten, wo Bürgermeister Hans-Martin Schertl gleich Werbung für den Besuch der nahen Vilsauen macht.

Im Schlosshof der Burg Dagestein spricht Eierer in Gedichtform über die Namensfindung des Bergfrieds und über die damalige Politprominenz. In seiner unnachahmlichen Art streut er so manche Anekdote ein und erwärmt die fröstelnde Schar. Von der Pieta und dem Bürgerspital geht es über das Houdergassl zur Breiten Gasse. Am Schwarzen Tor erzählt der illustre Gästeführer von der Pestzeit, und im Zwingerfriedhof weiß er über eine makabre Begebenheit mit einem Scheintoten zu berichten.

Nun wird es aber Zeit für einen Schluck aus einem kleinen Fläschchen. Den gibt es am Wohnhaus von Josef Eierer, wo die Gattin Anna Margaretha bereits auf die Gruppe wartet und Süßes und Flüssiges bereithält. Sie ist es, und das schätzt  auch ihr Mann, die sich im Hintergrund um alles kümmert.

Ein letztes Mal macht man sich auf den Weg und erreicht über das Träumergässchen die Grabenstraße und den Vogelturm. Hier verabschiedet sich der Nachtwächter mit dem Neujahrsspruch. Das Resümee zieht ein begeisterter Mitbürger, der erstmals dabeiwar: „Ich hätte nie gedacht, dass Tschung so ein umfangreiches Wissen hat und es so gekonnt rüberbringt“.

Am Dienstag, 3. Januar feiert Josef Eierer seinen 83. Geburtstag, und dazu kann man nur wünschen, dass er noch viele Gäste durch seine Heimatstadt führen kann.

alt

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