Vilseck: Dr. Reichenberger, ein bedeutender Oberpfälzer - Vater der Heimatvertriebenen

1961 nimmt Vilseck ein Problem in Angriff, das in den eingegliederten Gemeinden noch nicht bewältigt ist: Die Benennung der Straßen mit entsprechender Hausnummerierung. Bei der Namensgebung setzt die Stadt verdienten Mitbürgern ein Denkmal.

So wird auch eine Straße nach Dr. Emanuel Reichenberger benannt. Will man von der Innenstadt über die Bahnhofstraße kommend zum Fußballplatz des FV Vilseck, muss man sich durch die Dr.-Reichenberger-Straße begeben.

Dr. Emanuel Reichenberger kam am 5. April 1888 in Vilseck im jetzigen Rathaus als Sohn des hiesigen Stadtschreibers Johann Baptist Reichenberger und seiner Frau Marie, geb. Thurmwald zur Welt. Nach dem Besuch des Humanistischen Gymnasiums in Amberg entschied sich Reichenberger für die geistliche Laufbahn.

Er studierte Theologie und Philosophie in Regensburg und Leitmeritz (Böhmen), wo er 1912 zum Priester geweiht wurde. Nach dem 1. Weltkrieg gründete er den Volksbund der deutschen Katholiken in Böhmen, der für Kultur- und Schulungsarbeit maßgebend war. Reichenberger engagierte sich für die verarmten Arbeiter im Sudentenland und verurteilte den aufkommenden Nationalsozialismus.

Nach der Annexion der Sudentengebiete durch das Deutsch Reich im Oktober 1938 floh Reichenberger, um sich dem Zugriff der Nazis zu entziehen, nach Frankreich und später nach Großbritannien. Dort beteiligte er sich an Verhandlungen mit der kanadischen Regierung um Aufnahme von größeren Kontingenten sudentendeutscher Flüchtlinge.

1940 siedelte er in die USA über. Auch hier setzte Father Reichenberger sein Werk fort, half seinen Landsleuten durch die Gründung von Siedlungen und wurde Pfarrer in der Prärie von South Dakota. In zahlreichen Schriften verurteilte er die Verbrechen der NSDAP und die Vertreibung tausender Sudentendeutscher. Deshalb stufte ihn der NS-Überwachungsapparat auch als Staatsfeind ein und ließ sogar ein Kopfgeld auf seine Ergreifung aussetzen.

Doch Father Reichenberger kämpfte als Mensch und Priester unerschrocken weiter und nahm sich kein Blatt vor den Mund. Aus dem Leserkreis seiner vielen literarischen Beiträge erhielt er finanzielle Mittel, um nach Kriegsende große Mengen an Lebensmitteln, Kleidern und anderen dringend gebrauchten Sachen nach Deutschland und Österreich zum Versand zu bringen.

Von 1949 bis 1952 kämpfte er als Präses des Kath. Gesellenvereins von Chicago (Kolpingsfamilie) vehement gegen Unrecht und Vertreibung und wurde damit zum Fürsprecher der Vertriebenen aus ganz Osteuropa. 1949 reiste er nach Deutschland und prangerte auf unzähligen Kundgebungen in vielen großen Städten die Verbrechen des Naziregimes an.

Natürlich besuchte er auch die Ostgebiete und seine Oberpfälzer Heimat. Am 3. Juli 1950 predigte er in Amberg auf dem Mariahilfberg vor etwa 20.000 Sudetendeutschen. Die Sorge um die Heimatvertriebenen wurde zu seinem Lebensinhalt. Auch in seinem literarischen Schaffen setzte er sich für Freiheit, Recht, Menschenwürde und Wiedergutmachung ein.

In Würdigung seines Lebenswerkes erhielt Dr. Reichenberger zahlreiche Auszeichnungen. Die Republik Österreich verlieh ihm das Goldene Ehrenzeichen. Papst Johannes XXIII. ernannte ihn in Anerkennung seiner Verdienste um die katholische Kirche zum Päpstlichen Geheimkämmerer. Die Technische Hochschule Karlsruhe ernannte ihn zum Akademischen Ehrenbürger, und von der Sudetendeutschen Landsmannschaft erhielt er den Ehrenbrief.

Die Universität Graz verlieh ihm die Ehrendoktorwürde unter der Bezeichnung „Vater der Heimatvertriebenen“. In Amberg wurde er zum Ehrenbürger ernannt. Auch die Stadt Vilseck machte seinen großen Sohn am 2. Oktober 1952 zum Ehrenbürger.

Im Mai 1961 stattet Dr. Reichenberger seiner Geburtsstadt Vilseck einen kurzen Besuch ab. Der inzwischen ergraute Wohltäter freut sich, Vilseck wieder zu sehen und besichtigt auch die nach ihm benannte Straße. Wegen seines angegriffenen Gesundheitszustandes bittet er, von einem größeren Empfang abzusehen. So findet sich im Hotel „Zum Hirschen“ nur ein kleiner Kreis zusammen, zu dem auch Geistlicher Rat Josef Hösl und Vertreter der Sudetendeutschen Landsmannschaft zählen.

Am 2. Juli 1966 verstirbt Dr. Emanuel Reichenberger nach längerer Krankheit in Wien. Auf seinen Wunsch hin findet er in Altötting seine letzte Ruhestätte.

Anlässlich seines 100. Geburtstages wird im Juni 1988 auf Anregung der Sudetendeutschen Landsmannschaft eine Gedenktafel für Dr. Reichenberger am Rathausgebäude angebracht. Sie wird im Rahmen einer Feierstunde auf dem Marktplatz enthüllt und soll auch kommende Generationen an den Vater der Heimatvertriebenen erinnern.

Dr. Reichenberger, ein bedeutender Oberpfälzer - Vater der Heimatvertriebenen

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Gedenktafel für Dr. Reichenberger am Rathausgebäude

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