Vilseck: Schottland vor 50 Jahren erlebt - Landkreispartnerschaft mit Argyll gefestigt

Ihrem Gesang hatten es die „Vilsecker Moila“ zu verdanken, dass sie vor 50 Jahren nach Schottland fahren durften. Zusammen mit weiteren 14 Jugendlichen aus dem Stadt- und Landkreis verbrachten sie zwei Wochen in Dunoon und festigten die 1967 geschlossene Partnerschaft zwischen dem Landkreis Amberg und der schottischen Grafschaft Argyll.

Rosi Hasenstab erzählt: „Das war damals eine aufregende Sache, denn wir wussten gar nicht, wie uns geschah. Ich glaube, dass die Einladung über Landrat Dr. Hans Raß kam, dem wir als „Vilsecker Moila“ bereits bekannt waren. Unsere Gesangsgruppe bestand im Juli 1969 gerade mal ein gutes Jahr, und man traute uns zu, den Landkreis gesanglich zu repräsentieren.

Mit Kreisjugendpfleger Josef Zechmeier und dem Amberger Pressevertreter Horst Mayer ging es am 25. Juli 1969 per Bahn ins belgische Ostende und von dort mit dem Schiff über den Ärmelkanal nach Dover. Die vierstündige Überfahrt war schlimm, besonders für mich und meine kleine Schwester. Vor lauter Aufregung wurden wir seekrank und mussten des Öfteren die Fische füttern.

Endlich wieder festen Boden unter den Füssen, setzten wir die Bahnfahrt über London bis Glasgow fort. Per Bus erreichten wir die Stadt Dunoon, wo wir im Hostel, einem Schul-Internat, Quartier bezogen. Für die 1900 Reisekilometer waren wir 32 Stunden unterwegs gewesen. Am nächsten Tag kamen die 18 schottischen Jugendlichen an, mit denen wir nun zwei Wochen zusammen waren.

Wir sprachen nur wenig Englisch und die Schotten fast kein Deutsch. Aber gerade das war ja das Interessante. Wozu hatte man Hände und Füße? Jeden Tag wurde es besser mit der Verständigung. Beim gemeinsamen Singen, Musizieren, Tanzen und Tischtennisspielen lernten wir uns rasch kennen.

Der Hokey-Kokey-Tanz wurde zum Hit, und von meinem zaghaften Jodeln konnten die Schotten gar nicht genug bekommen. Natürlich wurde auch viel gelacht und geflirtet. Das Essen war anfangs sehr gewöhnungsbedürftig. Und als es gar ein typisch schottisches Gericht gab, nämlich Haggis, gefüllten Schafsmagen, mussten wir uns schon sehr überwinden.

Deshalb übernahmen die deutschen Mädchen auch mal den Küchendienst und bereiteten einen Schweinebraten mit Spoz´n zu. Das war schwierig, denn es gab noch keinen fertigen Knödelteig. Aber wir bekamen das hin. Die Schotten waren jedenfalls begeistert und hauten tüchtig rein. So reichten die Spoz´n nicht für alle, und wir Köchinnen gingen dabei leer aus.

Dafür gab es eine Woche später Leberknödelsuppe, aber davon reichlich. Georg Stadler, gelernter Bäcker aus Vilseck, wurde gar zum Star. Er zauberte zusammen mit Josef Zechmeier zum großen Erstaunen eines schottischen Bäckerei-Inhabers zwei wunderbare Torten.

Daraufhin bot ihm Mister Black sofort eine Stelle in seinem Betrieb an, die der Stare aber ablehnen musste. Die Torten jedoch bildeten den krönenden Abschluss der Reise und wurden bei der großen Abschiedsparty verzehrt.

Doch so weit sind wir ja noch nicht! Die Tage waren ausgefüllt mit abwechslungsreichem Kulturprogramm und Ausflügen aller Art. Ungewohnt waren nicht nur die rechtsgesteuerten Autos und der Linksverkehr, sondern auch das Umrechnen der D-Mark in Pfund Sterling. Einen Sonnenbrand hatte man nicht zu befürchten, denn das Wetter war sehr durchwachsen, und ständig wehte eine frische Brise vom Atlantik her.

Dunoons Bürgermeister lud die deutsch-schottische Gruppe zu einem Empfang in die Queenshall ein, wo wir Vilsecker Moila oberpfälzische Lieder vortrugen. Berthold Höps (Klavier) und Peter Donhauser (Violine) erfreuten mit klassischer Musik. Hier erlebten wir live den ersten Dudelsackpfeifer im Schottenrock. Auch ein Fußballspiel zwischen den deutschen und schottischen Jungs machte viel Spaß, auch wenn wir es mit 5:3 verloren haben.

Die Gastgeber brachten uns ihr bezauberndes Land und ihre reiche Kultur näher. Interessant waren die Ausflüge nach Edinburgh, Rothesay, Oban und Tighnabruaich, teilweise mit Privatautos des Rotaryclubs. Dabei traten wir stets als Vilsecker Moila in unseren Dirndln und mit Gitarre auf.

Der Besuch auf dem US-Schiff „Simon Lake“ das in der Bay von Dunoon vor Anker lag, faszinierte alle. Auch auf einer schottischen Farm waren wir zu Gast. Josef Zechmeier verteilte überall Geschenke von Landrat Raß.

Bei den Fahrten durch das wildromantische Hochland fielen uns immer und überall die vielen Lochs (Seen) auf. „Daou is doch schou wieder so a Loch“, hieß es ständig. Und sowas bleibt halt im Gedächtnis.

In guter Erinnerung blieben der bayerischen Reisegruppe auch die Highland-Games, ein Folkloreabend im Stadion von Dunoon. Hier zeigten die Einheimischen Schwertertänze, Tauziehen, Hammer- und Baumstammwerfen. Letzteres wollte auch unser Alois Dotzler aus Mimbach, ein echter Bajuware, ausprobieren. Und siehe da, er warf den Caber, einen 35 bis 60 kg schweren und 5 bis 6 Meter langen Baumstamm, ganz schön weit und erntete den Applaus tausender Zuschauer.

Von dem Vorurteil, die Schotten seien geizig, merkten wir nichts, im Gegenteil. Überall schlug uns herzliche Gastfreundschaft entgegen, und immer wieder wurden wir mit kleinen Geschenken bedacht. Auch den schottischen Whisky durften wir einmal verkosten, aber nur einmal! Der Tee jedoch ging nie aus.

Am Freitag, 8. August, hieß es dann Abschiednehmen. Ein letzter Gesangsauftritt, ein paar Bissen beim Abendessen, Dankesworte, Händeschütteln und viele Tränen! Mr. Henderson, der Schuldirektor des Distrikts, sprach den Wunsch aus, die Verbindungen nicht nur mit Jugendlichen zu pflegen, sondern auch auf die Erwachsenen auszudehnen. Man solle auch Kontakte zwischen Landwirten und Geschäftsleuten knüpfen.

Und dies ist in den folgenden 50 Jahren kontinuierlich geschehen. Überhaupt ist das beste Mittel zur Völkerverständigung das persönliche Kennenlernen von Land und Leuten.

Vieles was in diesen fünf Jahrzehnten gewachsen ist, steht nun durch den Brexit auf der Kippe. Obwohl Schottland in der EU bleiben will, versuchen die Briten jetzt, gegen den Strom zu schwimmen. Muss man das verstehen? 48 Jahre lang genossen sie die Vorteile der Europäischen Gemeinschaft. Da kann man nur hoffen, dass die Städte- und Landkreispartnerschaften nicht unter dem Brexit leiden.

Doch weiter mit dem Reisebericht. Auf der Heimfahrt stand noch ein Tag in London auf dem Plan. Wegen Übermüdung und drückender Hitze nahmen wir den Big Ben, die Tower-Bridge und die St. Pauls-Kathedrale nicht mehr richtig wahr. Bei der Wachablösung am Buckingham-Palast konnten wir uns nur noch mühsam auf den Beinen halten. Zum Glück ergatterten wir im St. James-Park ein paar Liegestühle und schliefen erschöpft ein.

Am Sonntag verließen wir die Insel endgültig und erreichten am Montag in den frühen Morgenstunden den Amberger Bahnhof und den Postbus nach Vilseck. Daheim fielen wir todmüde aber glücklich in unsere Betten.

Wochenlang gab es nur noch das Thema „Schottland“. Im Nachhinein bedauere ich nur eines, nämlich, dass es damals noch keine Digitalkameras gab und wir nur einen 36er-Film in unserem Agfa-Fotoapparat hatten. Was hätten wir für tolle Eindrücke festhalten können!

Beim Gegenbesuch 1970 im Landkreis Amberg waren unsere schottischen Freunde in Familien untergebracht. Marion Campbell wohnte bei uns, und die Brieffreundschaft mit ihr pflegte ich noch viele Jahre.

Die junge Volksmusikgruppe „Vilsecker Moila“ weilte vor 50 Jahren zum Jugendaustausch in Argyll/Schottland. 38 Jahre lang erfreuten die Moila ihre Zuhörer bei unzähligen Auftritten mit meist selbstverfassten Texten und Melodien. (Von links) Elisabeth Engelhardt (Hammer), Gunda Riß (Prechtl), Veronika Luber (Pröls) und Rosi Luber (Hasenstab).

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Am Pier von Dunoon ließen sich die Vilsecker Moila mit einem typischen Schotten fotografieren. Rechts ein Teil der deutsch-schottischen Gruppe

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Auch nach zwei Wochen war die Dudelsackmusik für oberpfälzische Ohren noch sehr gewöhnungsbedürftig

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Trotz Sonnenscheins war eine Strickjacke immer gefragt, und helle Hosen waren groß in Mode

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