Die Hahnbacher erinnern sich noch gerne vorwiegend an einen ihrer bekanntesten „hängengebliebenen“ Maurer auf der Walz, den aus Bremen stammenden Fritz Köper (*18.9.1910)
Fritz Köper (+) auf der Walz
Nach einer Arbeit in Rosenberg hörte 1929 der 18jährige von der großen Unwetterkatastrophe mit 100 % Ernteschaden, vielen Verletzten und zerstörten Dächern und demolierten Häusern in Hahnbach. Er entschied sich spontan und logisch dorthin zu gehen, wo es Arbeit gab. Beim Hahnbacher Schmied mit dem Familiennamen Puff mietete er ein Zimmer. Über einen Mangel an Arbeit konnte er sich nie beklagen.
Bald schon freundete sich auch mit Hahnbacher Mädchen an. Doch es gab ein „Heiratshindernis“: er war evangelisch und das hieß im fast reinen katholischen Hahnbach: ein Exot, was nicht von allen gern gesehen wurde.
Doch die Liebe siegte und mit 23 Jahren führte er am 10.12.1933 seine Anna Wendl (*1.11.1913), eine 21jährige gebürtige Rosenbergerin, zum Traualtar
Diese hatte in Kümmersbuch und Hahnbach als Magd gearbeitet und war als tüchtige und aufgeschlossene Frau bekannt.
Im heutigen Mesnerhaus schenkte sie vier Söhnen und einer Tochter das Leben. Der Älteste starb bereits mit drei Jahren. Genau an dessen Todestag kam die Tochter Betty (verheiratete Puff) zur Welt. Es folgten Fritz, Wolfgang und Hans.
Familie Köper (ohne Hans)
Der Vater, Fritz Köper, war in der Zwischenzeit Maurermeister geworden und blieb dank seiner Kompetenz immer sehr gefragt. Als nach dem Krieg auch viele evangelische Flüchtlinge kamen, war er auch konfessionsmäßig nicht mehr allein.
Schon immer war er im Markt und in der weiteren Umgebung als guter und angenehmer Gesellschafter stets bekannt und beliebt.
Fritz Köper (+) (rechts) beim Geburtstag feiern
Viele gute Ideen und Tipps rund ums Bauwesen konnte man von ihm bekommen und sich auf seinen Sachverstand verlassen.
Schließlich begann man damals die Frohnbergsiedlung im Westen des Marktkerns zu bauen. Dort errichtete auch Fritz Köper sein neues Heim, in dem er bis zu seinem Tod im Jahr 2000 wohnte.
Anna (+) und Fritz (+) Köper
„Evangelisch leben und katholisch sterben“ wollte Fritz Köper eigentlich immer. Tatsächlich wusste man, dass die Trauergemeinde unmöglich in der kleinen evangelischen Kirche nie ausreichend Platz haben werde und so fand das Requiem wohlweislich in der großen katholischen Pfarrkirche St. Jakobus statt. Diese hatte er übrigens jahrelang solidarisch mit seiner Frau Anna zur sonntäglichen Messe besucht.
In und um Hahnbach hat er ungezählte Heimstätten errichtet bzw. mit seiner florierenden Firma errichten lassen. Seine damals begonnene Tradition setzt sich übrigens bis heute in der Firma seines Sohnes Fritz Gnan-Köper fort.
Sogar ins Ehrenbuch der Gemeinde schafften es 2001 drei Steinmetze aus Dresden, Ahrenviöl und Ludwigsburg. Sie notierten darin: “Ich schnitt mir einen Knotenstock aus edlem Holderstrauch. Ich zog damit durch Stadt und Land nach altem Handwerksbrauch. Gott erhalt’s, das Handwerk und die Walz!!“
Aber wie war oder ist das mit dieser Walz, dessen Bezeichnung auf ein Vorwärtskommen, ein Gehen zurückzuführen ist und die seit 2015 sogar ein immaterielles Weltkulturerbe ist?
„Auf der Walz“ waren und sind seit dem Mittelalter Gesellen fast aller Berufe. Bei manchen Zünften war die Walz sogar Voraussetzung der Meisterprüfung.
Mindestens drei Jahre mussten sie von Meister zu Meister oder von Baustelle zu Baustelle ziehen. Maximal drei Monate dürfen sie theoretisch bei einem Arbeitgeber bleiben. Doch auch hier gilt: „Wo kein Kläger, da kein Richter“. Aber immer wieder heißt es sein Bündel, den Charlottenburger, zu packen und weiter zu ziehen.
Die Bedingungen für die Walz sind geblieben, nämlich dass man nachweisen muss, die Gesellenprüfung bestanden zu haben, unverheiratet zu sein, keine Kinder und keine Schulden zu haben und dass man jünger als 30 Jahre ist. Dies schreiben die Schächte bzw. Zünfte vor, jene eigenständigen Organisationen von Handwerkern eines gemeinsamen Berufs.
Auch durfte man sich seinem Heimatort während der Walz nicht unter 50 Kilometer nähern, geschweige denn zu Festivitäten oder anderen Anlässen heimkommen, nicht einmal bei Todesfällen in der Familie. Darüber hinaus gibt es aber auch noch weitere streng geheime Regeln, welche die walzenden Gesellen nicht verraten dürfen.
Waren es lange Zeit nur junge Männer, die so Erfahrung und größere Horizonte erwarben, so sind es mittlerweile auch junge Frauen, die es in die Ferne zieht. Allerdings sind die „Tippelschwestern“ deutlich in der Minderzahl.
Früher ging man auch mehr aus Not, denn aus Freiwilligkeit auf die Walz. Auch war der Abschied von Zuhause nicht immer gleich. Da gab es den stillen Weggang, aber auch größere Feste und ein Begleiten von Wandergesellen über den 50-Kilometer-Bannkreis hinaus.
Zeitweise waren dann aber so viele Tippelbrüder unterwegs, dass sich nicht nur Adolf Kolping, der „Gesellenvater“, sich ihrer annahm. Unterkünfte waren primär und dringend gesucht, denn auch die Familien der Meister waren meist wenig begütert und lebten in engen Verhältnissen. Bis heute stehen die damals konzipierten Kolpinghäuser allen offen, ohne Ansehen der Nation, Religion, Kultur oder des Geschlechts.
Geändert hat sich auch die Entlohnung. Hatte man früher nur „Kost und Logis“ als Entgelt erhalten, wird längst mit dem gängigen Tariflohn bezahlt. Geblieben sind Kameradschaft und Freude an der Geselligkeit. Die Wandergesellen sind eigentlich immer offen für Gespräche, neue Ideen und mit ihrer guten Portion Lebens - Leichtigkeit sind sie auch fast überall willkommen und bereichernd.
Noch immer sieht man Wandergesellen, die im Straßenbild eindeutig auffallen, wenngleich ihre Zahl merklich zurückgeht. Eingeteilt sind sie in vierzig Gewerke/Berufe, die sich alle durch ihre Kluft unterscheiden.
So sind zum Beispiel die Holzarbeiter in schwarz gekleidet, in blau die Metaller und beige tragen die Gesellen, die mit Mineralstoffen arbeiten. Die BäckerInnen und KonditorInnen sind schwarz-weiß kariert unterwegs. Alle, die mit Stoffen und Bekleidung arbeiten, tragen rote Kluft.
Natürlich hat die Corona-Pandemie vielen Gesellen einen Strich durch die Rechnung gemacht und nicht wenige haben ihr Wandern aufgeben. Aber wer weiß: vielleicht lebt bald schon wieder diese Tradition weiter und fort. Zu wünschen wäre es, meinen viele.
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