Vilseck, NACHLESE: Die Alte Apotheke im 20. Jahrhundert Heimat für viele Familien

Über die alten Zeiten unterhielt sich Rosi Hasenstab mit Antonie Platzer, geb. Böde, einer früheren Mitbewohnerin der sogenannten Alten Apotheke. So heißt im Volksmund das Gebäude in der Herrengasse, das auch Pflegschloss am Weihertor oder jetzt Turmhotel genannt wird.

Hier hatte einst der oberste Beamte der Stadt, der Pfleger des Hochstifts Bamberg, seinen Amtssitz. Aber davon und über die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte soll heute nicht die Rede sein. Hier geht es um die Besitzer und das Leben im Pflegschloss im 20. Jahrhundert, als dort der Jude Otto Eckstein von 1908 bis 1935 eine Apotheke betrieb. Er starb 1936.

Antonie Platzer erzählt

„Meine Großmutter Anna Maier hatte in der Schlossgasse, wo ich 1942 zur Welt kam, einen kleinen Kramerladen mit Lebensmitteln und Stoffresten. 1937 kaufte mein Großvater Anton Maier die Alte Apotheke, sprich, das gesamte Pflegschloss in der Herrengasse von der Apothekers-Witwe Emma Eckstein.

Die Apotheken-Einrichtung übernahm gleich der neue Pächter Karl Kranz. Dessen Frau Hildegard führte über zehn Jahre die Apotheke, bevor sie mit ihrem Mann um 1950 in der Schlichter Straße ihr eigenes Geschäft, die Stadtapotheke, eröffnete.

1944 zog unsere Familie dann von der Schlossgasse in die Alte Apotheke, wo ich mit meinen Eltern Lina und Walter Böde im 2. Stock neben dem Turm wohnte. Der große Kastanienbaum versperrte uns im Sommer die Sicht auf die Herrengasse, und das Vogelgezwitscher weckte uns schon in aller Herrgottsfrühe.

Der Großvater verkaufte 1948 das Gebäude dann an seine Tochter, meine Tante Anna Agreiter und ihren Mann Ferdinand. Tante Anna richtete sich im Turm ein Schuhgeschäft und eine Bücherei ein. Ich erinnere mich noch gut an das Schaufensterhäuschen neben dem Treppenaufgang, wo immer die neuesten Schuhmodelle ausgestellt waren. Obwohl es anstatt Pillen und Salben nun Schuhe gab, blieb das Gebäude für die Vilsecker weiterhin die Alte Apotheke.

Die Familien Maier-Agreiter, Pabst-Köppen, Kranz, Timmermann, Pfuhl, Bernhard und Gottschalk waren unsere Nachbarn im Vorderhaus. Auch die evangelische Kirche, die von Frau Sagner betreut wurde, befand sich etwa drei Jahre lang im Gebäude.

In den rückwärtigen Mietshäusern von Onkel Ferdi wohnten viele Menschen, und es war auch immer wieder ein Kommen und Gehen. Da gab es die Familien Ullmann, Karb, Schmidt, Zeitler, Sertl, Musiol, Urbanczyk, Amstetter, Ledwa, Kummert und vielleicht noch andere, die mir jetzt nicht mehr einfallen.

Meine Schwester Doris und ich spielten gerne mit den Nachbarskindern in unserem großen Hof. Daneben war unser Garten und Richtung Altmühlbach eine weitere Grünfläche mit Bäumen, die wir Park nannten. Hier wurden schöne Familienfeste gefeiert.

Nach meiner Friseurlehre zog ich nach Nürnberg, wo ich meinen Mann Christian heiratete. Zurück in Vilseck wohnten wir kurzzeitig wieder in der Alten Apotheke und später dann in der Hieroldstraße, bis wir schließlich unser Eigenheim in Schwimmbadnähe beziehen konnten. Insgesamt war die Alte Apotheke 31 Jahre lang meine Heimat.

1964 gab Tante Anna das Schuhgeschäft auf und richtete sich unten im Pfleghof, rechts neben dem  Eingang, eine Heißmangel ein, in der ich mitarbeitete. 1970 veräußerte die Familie Agreiter das Anwesen an das Baugeschäft Dobler in Nabburg und zog mit meinen Großeltern in die Ackerstraße.“

Eine ganz andere Nutzung erfuhr das Gebäude, als Anneliese Grosser 1983 das gesamte Anwesen erstand. Die Mietshäuser im Hof wurden abgerissen. Mit großem Aufwand und vielen Schwierigkeiten, jedoch mit Unterstützung der Stadt und des Denkmalamtes, renovierte die Familie Angerer-Grosser das stattliche, historische Gebäude. Es entstand das Turmhotel mit modernen Fremdenzimmern, einem Restaurant und später noch Hallenbad.

Ende 2017 bekam die Immobilie mit Markus Graf und Markus Schober wieder neue Besitzer. Wie es mit dem Pflegschloss nun im 21. Jahrhundert weitergeht, wird sich zeigen. Aber feststeht, dass der Name „Alte Apotheke“ im Volksmund weiterhin erhalten bleiben wird.

In den 50er Jahren betrieb Anna Agreiter in der Alten Apotheke ein Schuhgeschäft und eine Bücherei. Neben dem Treppenaufgang stand das Schaufensterhäuschen

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Vom Altmühlweg aus erreichte man die Wohnungen im rückwärtigen Teil des Gebäudes. Am Turm ist das Wappen des Hochstifts Bamberg zu sehen

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Die Aufnahme dürfte Ende der 50er Jahre entstanden sein. Vom Kastanienbaum verdeckt lugt der Turm der Alten Apotheke hervor. Daneben ist noch der Schriftzug „Apotheke“ zu lesen. Am Högl-Haus (vorne links) sind Wegweiser nach Auerbach und Amberg angebracht.

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Anna und Anton Maier, die Großeltern von Antonie Platzer, erwarben 1937 die Alte Apotheke

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Blick vom Apothekerturm auf die Herrengasse und das ehemalige Forstamtsgebäude

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