Max Uthoff verwandelt ACC zur (Heil)Anstalt mit verbalem Parforceritt

Über zwei Stunden lang verwandelte Max Uthoff das ACC zur (Heil)Anstalt mit einem verbalen Parforceritt durch eine „Gesellschaft, die zerfällt“. „Moskauer Hunde“ so der skurrile Titel des Abends, doch nicht nur Hunde nahm der Kabarettist wortakrobatisch und präzise aus der Hüfte schießend gezielt aufs Korn. Seine Gesellschaftskritik legte messerscharf sämtliche Finger in die Wunden von Politik, Weltwirtschaft, Religion und privater Scheinheiligkeit und Raffsucht.

Eingangs auf der dunklen Bühne telefonierend warnte Uthoff zur steigenden Spannung den fast vollen Saal doch „gelassen zu bleiben“. Wohl alle 30 Sekunden aber erzielte er den ganzen Abend lang Lachsalven, die in ihrer schneidenden Bissigkeit manchen trotz allem oft im „gut bürgerlichen Hals“ stecken blieben.

Kaum ein Politiker, der von ihm nicht gnadenlos demontiert wurde. Überzeugt verweigerte er ihnen ein „geistiges Duell“, da er nicht „auf Unbewaffnete schießen“ wolle. Überspitzt entblößte er chirurgisch sezierend manche Verdrehtheit und Perversion auf nationaler und internationaler Ebene. „Das Geheimnis der Erfahrung ist die Ehrlichkeit“ wusste er, doch „wer sie vortäuschen kann, ist ein gemachter Mann“.

Uthoff empfahl zudem ein „Erweitern des Diebstahlparagraphen“ auf die wenigen Reichen, welche Volkseigentum stehlen, da zudem „jede Münze den Arroganzspiegel ansteigen lässt“. Detailliert schilderte er „die bilinguale KiTa für 1000 Euro“. Dort müssten „schon die Kleinsten sein, wo sie nicht sein wollen und Dinge tun, die sie nicht tun wollen“. Also: die beste Vorbereitung aufs spätere Berufsleben, folgerte er.

Anschaulich teilte er den Saal in den „kleinen reichen Norden“ und den „großen armen Süden“ der Welt ein. Immer im Visier hatte er auch hier die Hunde, welche in den USA ein höheres Einkommen haben als der Großteil der Menschheit. Der Süden als „Mülldeponie Europas“, wo zudem „Kinder krepieren“ wegen unseres Bedürfnisses nach dem neusten Handy. „Gib mir deine Reichtümer oder ich lass dich verhungern“ postuliere permanent der Norden und „wickle 30 Millionen Kleinbauern durch seine Gier ab“.

Eine Weltreise brachte die aufmerksamen Zuhörer nicht nur von A nach B, sondern „quer durchs Alphabet“ zu Brennpunkten von Ausbeutung und Kinderarbeit. Betroffen reagierten viele auf die anschaulich vor Augen geführte ungerechte Weltordnung, in der ein jeder durch seine „imperiale Lebensweise“ auf Kosten des Südens lebt. Da die Verhungernden aber dank digitaler Vernetzung sehr wohl um die „Perversion der meterlangen Katzenfutterregale“ wissen, müsse wohl „die Welt zerfallen“.

„Was fehlt?!“ frage er sich auch bei den bruchstückhaften Nachrichten, welche nur die ehemals „warme Teekanne der Gesellschaft in kalte unsolidarische Splitter zerstoße“ und keine Lösungen zeige. Scharf geißelte er „dieses Zeitalter der Simularitäten“ mit einem „analogen und digitalen Ich“, in dem jeder Alles und Jeden, bis hin zur eigenen Ehefrau beim Sex, beurteile.

„Der Mensch ist absolut nicht in Richtung Klugheit unterwegs“, da er sich über „tote Objekte definiere“ oder „peinliche Surrogate wie Nation“, so Uthoff. Eine „schamlose Werbung“ verkaufe dies dazu noch als „sinnstiftend“. Es sei deshalb nur gerecht, wenn „die Evolution manche vorzeitig aus dem Leben nehme“.

Dagegen könnten vielleicht nur ehrliche Auszeichnungen im Supermarkt helfen, welche die Produktionsbedingungen entlarven, eine „echte Rebellion mit Fair-Trade-Produkten“ vielleicht sogar „ehrliche Grabinschriften“ wie „über das ergaunerte Erbe von Millionen freuten sich Karl und Petra“.

„Aber ich weiß es auch nicht genau“ relativierte Uthoff seine Saltos im Kopf, in die er gekonnt auch immer wieder Dialekte einbaute. Starker Applaus verdiente sich noch zwei Zugaben, welche Amberg nicht weniger nachdenklich machten.

Max Uthoff

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