Streit um Ratswahlen in Hahnbach vor 270 Jahren in Archiven gefunden
Josef Weiß-Cemus, der aus Dürnsricht bei Hahnbach stammt und bereits eine wissenschaftliche fundierte Chronik über seine Heimat verfasst hat, ist in den Archiven wieder fündig geworden. Der passionierte Hobby-Heimat und Familienforscher hat dabei einen Streit um Ratswahlen in Hahnbach, der vor 270 Jahren stattgefunden hat, entdeckt.
Auch auf kommunaler Ebene ging es früher nicht immer friedvoll zu, so auch im Marktflecken Hahnbach Ende der 40 Jahre des 18. Jahrhunderts: Bürgermeister Georg Metzner bittet 1737 um Entlassung aus seinem Amt, da er dieses wegen Anfeindungen durch seinen Mitbürgermeister Georg Jakob Wittmann und des Marktschreibers nicht mehr mit Respekt ausüben könne.
Streit gab es auch wegen angeblicher Mauscheleien bei der Verpachtung der dem Markt gehörigen Weiher an Johann Lobenhofer. Letzterer beschimpfte den amtierenden Bürgermeister Metzner in öffentlicher Sitzung, er soll „das Maul halten und stillschweigen", er hätte ihm nichts zu befehlen.
Lobenhofer hatte einen geringeren Pachtzins als der Sternwirt Johann Georg Jberer und seine Genossen zu zahlen. Lobenhofer konnte sich aber auf den Beistand des Bürgermeisters Wittmann und des Marktschreibers verlassen, so dass keine Sanktionen für dieses Verhalten erfolgten.
Ende Dezember 1737 trifft ein Schreiben der Viertlmeister des Marktes Hahnbach bei der Regierung in Amberg ein: Mathes und Hans Trösch, Wilhelm Wild und Veith Stain beschweren sich im Namen der gesamten Bürgerschaft über ihren Magistrat.
Es hätten sich so viele untragbare Zustände („confusiones") bei den Bürgermeistern und dem Rat ergeben, drei Bürgermeister sind nicht mehr bereit mit Bürgermeister Wittmann und dem Marktschreiber zu amtieren; man habe also keine funktionierende Obrigkeit mehr. Eine Folge davon sei, dass die Marktkammer in den äußersten Ruin geraten sei.
Der beschuldigte Schneidermeister und Ratsmitglied Johann Lobenhofer hingegen beklagt sich, dass ihn Hans und Georg Trösch sowie der Marktknecht fast auf allen Bierschänken im hiesigen Markt als Fischdieb verunglimpfen. Er habe beim Marktrat deswegen Klage eingereicht und um rechtliche Hilfe gebeten; es sei aber nichts geschehen, dort herrsche vielmehr Vetternwirtschaft, Niclas Iberer etwa sei als Sohn des Bürgermeisters Johann Georg Jberer vorteilhaft behandelt worden.
Kein Wunder also, dass bei der Bürgerschaft der Ruf nach Neuwahlen laut wurde. Als schließlich 1740 Bürgermeister Konrad Niller starb wurde endlich für den 11. Februar 1744 vom Landrichteramt eine Neuwahl eingesetzt.
Neben dem verstorbenen Bürgermeister Niller sollten auch die alten und schon lange resignierten Bürgermeister Johann Georg Jberer (Senior) und Johann Georg Mäzner – nicht aber der noch amtierende 4. Bürgermeister Wittmann – sowie die inzwischen abgängigen Mitglieder des inneren und äußeren Rates nach „dem uralten Herkommen" ersetzt werden.
Ungültige Wahl 1744
Das Protokoll über den Ablauf dieser Wahl ist erhalten und gibt einen detaillierten Überblick über Ablauf und Ergebnis und belegt, wie es zu einem veritablen Wahl-Skandal kam:
Da das Rathaus, das Vogteihaus, durch den Obristen Baron v. Anger vom Fürst Waldeckischen Infanterie-Regiment belegt war, fanden sich die Abgesandten des Landrichteramtes Amberg, die die Wahl zu leiten hatten, Bürgermeister und Rat sowie einige Bürger in der Marktschreiberei ein.
In einem anderen Haus hatten sich aber inzwischen ein wesentlich größere Teil der wahlberechtigten Bürger, die mit diesem Wahlablauf nicht einverstanden waren, versammelt; sie schickten vielmehr als Deputierte Paul Meiller und den Fleischhacker Georg Englhard zu der landgerichtischen Kommission um ihre Forderungen vorzubringen, vor allem das Verlagen, künftig alle drei Jahre eine Neuwahl durchführen zu können
Das widersprach jedoch jeglichem bisherigen Herkommen und wurde vom Landrichteramt brüsk zurückgewiesen. Darüber hinaus wird gefordert, Bürgermeister Wittmann abzusetzen. Das Landgericht bestätigte indessen als neue Bürgermeister die von den wenigen anwesenden Bürgern gewählten Personen: Martin Helmstreit, er hatte mit 21 Nennungen die meisten Stimmen erhalten, Sternwirt Johann Georg Jberer mit 9 Stimmen und Feldscherer (Wundarzt) Johann Weich mit 8 Stimmen (Kopie des Auszählungszettels). Georg Jacob Wittmann wird in seinem Bürgermeisteramt belassen.
Es kam sofort zu heftigen Protesten, eine Liste weist namentlich 86 Bürger aus, die diese Wahl nicht akzeptieren wollten.
Die Bürgerschaft wendet sich an die Regierung von Amberg, der vorgesetzten Regierungsstelle über das Landrichteramt: letzteres habe uns die ab antiquissimo competirende freie Wahl blatter dingen benommen; ferner liege bei den vom Landrichteramt bestimmten Bürgermeistern deren Unfähigkeit zu derlei officium publicum ... an tag. Die Regierung in Amberg wird gebeten, die Wahl zu annullieren und bei einer abermaligen uneingeschränkten Wahl einen Regierungsrat nach Hahnbach offiziell abzuordnen.
Das Wahlregister der Bürger ist erhalten, die 1744 berechtigt waren ihre Marktobrigkeit zu wählen. Dies gibt die seltene Gelegenheit, den Wahlvorgang exakt zu verfolgen und den Umfang der Spaltung der Bürgerschaft zu belegen (auch familiengeschichtlich von Interesse). Der Marktschreiber hatte eine Auflistung der 118 wahlberechtigten Bürger erstellt, mit dem Vermerk, wer bei der Wahl seine Stimme abgegeben hat („votavit") oder sich weigerte zu wählen („non vult votare") (Kopie Ausschnitt).
In dem Streit standen also die Bürgerschaft mit ihren Viertelmeistern gegen ihre eigene magistratische Obrigkeit bestehend aus den vier Bürgermeistern und dem Rat, die vom Landrichteramt als rechtmäßig bestätigt worden waren. Zusätzlich hatten die Hahnbacher Bürger auch noch die unmittelbare Aufsichtsbehörde, das Landrichteramt mit Landrichter v. Armknecht an der Spitze, gegen sich.
Deshalb wandten sie sich unmittelbar an die Regierung von Amberg. Der Streit eskalierte so sehr, dass sich schließlich Ende 1744 Bürgermeister und Rat von Hahnbach in 21 voll beschriebenen Seiten sogar an den Kaiser wandten. Der war aber gerade anderweitig beschäftigt – es herrschte der Österreichische Erbfolgekrieg (1740 – 1748) – das Schreiben ging dann wohl an die Regierung von Amberg. Diese kassierte schließlich die Bestätigung der Wahl in Hahnbach durch das Landgericht und ordnete an, dass eine nochmalige Neuwahl stattzufinden habe.
Erfolgreiche Neuwahl 1747
Diese wurde für den 18. und 19. September 1747 festgesetzt. Das Protokoll dazu findet sich in den Akten: Unter Aufsicht einer Kommission des Landgerichts traf man sich zunächst am Morgen in der Pfarrkirche St. Jakob zu einem Hochamt „de Sancto Spiritu". Dann fand sich die Kommission nach 9 Uhr auf dem landgerichtischen Vogteihaus, dem sogenannten Rathaus mit dem dermahligen Rat und der gesamten Bürgerschaft in guter Ordnung ein.
Der Wahlakt konnte sofort beginnen, zunächst wurden die Formalien verlesen, ferner habe sich die Ratswahl-Kommission – so der Protokollbericht - genau vergewissert, dass die gesamte Bürgerschaft anwesend ist und wer krank sei. Dann seien die Anweisungen und Befehle der Regierung der Bürgerschaft „deutlichen publicirt" worden. Die Kommission habe anschließend nähere Erläuterungen zum Wahlvorgang selbst gegeben.
Da Georg Jacob Wittman auf seine Bürgermeisterstelle bereits konfirmiert worden ist, sind nunmehr 3 neue Bürgermeister zu bestimmen. Als Ergebnis des Wahlvorgangs kann das Protokoll schließlich vermerken: 1. Johann Georg Jberer, Sternwirt, er erhielt 81 Stimmen; 2. Johann Weich, Bader, 49 Stimmen und 3. Johann Trösch, Weißbeck, 46 Stimmen. Sie werden sofort in Anwesenheit der gesamten Bürgerschaft verpflichtet und bestätigt; dann wird der innere und äußere Rat bestimmt sowie die zu Funktionen vergeben.
Streitigkeiten und Konflikte blieben auch in den weiteren Jahren nicht aus, doch blieb diese Besetzung der magistratischen Obrigkeit über zweieinhalb Jahrzehnte so bestehen. Erst am 20./21. April 1773 fand wieder eine Ratswahl statt: die Bürgermeister Iberer und Trösch waren inzwischen verstorben, Bürgermeister Wittmann resignierte nun freiwillig, er starb 1774, 87 Jahre alt. Die Forderung, alle drei Jahre neu wählen zu dürfen, konnte nicht durchgesetzt werden.
Der Markt Hahnbach hatte im 18. Jahrhundert das Recht vier Bürgermeister zu wählen, die sich vierteljährig als Amtsbürgermeister in der Leitung abwechselten. Dazu gab es einen inneren und äußeren Rat. Die Bürgermeister mussten ansässig sein und über eigenen Besitz verfügen; eine Wahl galt für das ganze Leben und ein Rücktritt konnte nur mit Zustimmung der Regierung in Amberg erfolgen.
(Quelle: StAAm Fürstentum Obere Pfalz, Regierung Amtsbücher und Akten 177/1)
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