Martin Heldmann und der 1. Weltkrieg in Postkarten

„Alte Bilder, Feldpostkarten, nie vernichten!“ steht auf einem kleinen Ordner, den der fast 90jährige Martin Heldmann aus der Hauptstraße aus einer Aktenmappe herausholt. Und tatsächlich: meist in schönster Sütterlinschrift enthält er die teilweise über 100 Jahre alten Karten, die von mehr als 30 verschiedenen Personen im Ersten Weltkrieg an und von seinem Vater geschrieben wurden.

Martin Heldmann hat sogar ein Register angelegt und die Absender notiert. Meist handelt es sich dabei um junge Damen, welche ausgewählt hübsche Karten „an den Infanteristen Martin Heldmann, 10. Infanteriedivision, 6. Bayerischen Infanterieregiment, 5.Kompanie“ geschrieben haben.

Ihre Namen werden ihren Familien und manchem Hahnbacher sicher noch in Erinnerung sein, wie Fanny Epp, Dora Ruppert, Fanny Erras, Berta Kederer, Margarethe und Rosina Kummert, Maria, Babette und Theres Heldmann, Anna Reichl, Berta Kederer, Theres Huber, Rosina Kummert, Katharina Trösch, Berta Lorenz oder Maria Reichl.

Aber auch viele Handschriften von Männern sind dabei, wie diejenige von Johann Kummert, dem Vater des Hahnbacher Altbürgermeisters Hans Kummert. Auch ein Otto Ertl, Johann Kotz, Peter Ruppert oder Hans Iberer hatten damals Grüße und Informationen aus der Heimat geschrieben. So erfährt man unter Anderem von drei jungen Burschen, die im Winter 1914 auf dem Hobelweiher ins Eis eingebrochen waren und beinahe ertrunken und erfroren wären, wären sie nicht von Johann Kummert gerettet worden.

Meist haben die Karten schöne junge Damen als Motiv, grüßen zum Namens- oder Geburtstag, zum Neuen Jahr oder zu den großen Kirchenfesten. Einige davon allerdings tragen Texte wie „Niemals wurde Deutschland überwunden wenn es einig war!“ unter dem Reichsadler im Siegeskranz. Eine andere besingt das „Artillerielied: Kanonendonner ist unser Gruß.

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Wir schießen aus gezogenen Geschützen.“, welches stolze Soldaten in Unform und mit Gewehren vor ihren Geschützen zeigt. “O Vaterland, mein schönster Stern. Dir weih‘ ich Blut und Leben gern.“, kündet ein strammer Soldat mit aufgepflanztem Bajonett vor einem schemenhaften Dorf, im Vordergrund drapiert mit der Deutschlandfahne und einem Grenzpfosten mit dem Reichsadler.

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„Gott schütze unser Vaterland und helf´uns zum Sieg“ wünscht träumerisch eine hübsche Leserin unter einer Wolke, welche einen im Liegen wachenden Soldaten mit Tornister zeigt.

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Eine andere Karte meint gar:“ Lustig, ihr Leute, Soldaten sind da. Sind aus deutschem Land, wie euch gar wohl bekannt. Kommen fein lustig zu euch in’s Quartier.“

Aus Stolzenfels am Rhein stammt eine Abschiedskarte mit dem Text: „Ein Grenadier, auf dem Dorfplatz stand, ein Mädchen ihm zur Seit. Er legt die Waffen aus der Hand, spricht Trost ihr zu im Leid. Sie sinkt ihm weinend an die Brust, beugt traurig das Gesicht, der Trennungsschmerz wird ihm bewußt, als er jetzt zu ihr spricht: O Mädchen, bleibe mein, dies Herz es ist nur Dein.“ „Aus großer Zeit“ ist ein sich küssendes Paar überschrieben und die Soldatenworte:“ So nun gieb mir schnell ein Küßchen, liebes, kleines Mädchen du. Die große Zeit ist nun vorüber, nun hat auch Reserve Ruh.“

Auch finden sich Karten, welche bis heute erschrecken lassen. Darauf sind nachdenkliche Infanteristen und als Text „Morgenrot. Morgenrot, Morgenrot! Leuchtest mir zum frühen Tod. Bald wird die Trompete blasen. Dann muß ich mein Leben lassen, Ich und mancher Kamerad!“

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Eine der Karten zeigt vier Soldaten, alle in entspannter sitzender Position, mit einem Kind spielend. Ihre zusammengestellten Gewehre befinden sich zwischen ihnen und einer Hausfrau und Mutter mit einem weiteren Kind. Diese reicht ganz entspannt einem Soldaten eine wohl gefüllte Tasse. Diese Karte trägt die Aufschrift: „Deutsche Barbaren.“ “Wie sich die deutschen Soldaten in Feindesland benehmen.“

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Auch politische Motive prangen oft reich verziert, wie zwei aus dem Jahr 1913. Die eine zum 25jährigen Regierungsjubiläum von Wilhelm II, dem deutschen Kaiser und König von Preußen. „Lorbeerreiser in Dankbarkeit seien dem Kaiser vom Volke geweiht“ steht unter einem Portrait des Regenten. Eine weitere „Jubiläumspostkarte“ zeigt die „Zusammenkunft der Deutschen Bundesfürsten in Kelheim 1913“.

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 „Heil Hindenburg!“ lautet eine Feldpostkarte an den „Fouragehändler Xaver Heldmann in Hahnbach“ vom 15.Juli 1915. Unter dem Portrait Hindenburgs mit Eichenlaub, Lorbeer und Deutschlandfahne die Worte: “Steht der Soldat auf seinem Posten, sei es im Westen oder Osten, blüht seinem Vaterland das Glück, das siegreich es trotz aller Tück; durchzieht’s ihn auf der fernen Wacht: Das hat der Hindenburg gemacht!“

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Eine Postkarte zeigt die Fahnen aller kriegsführenden Staaten mit Deutschland und Österreich-Ungarn im Zentrum, umgeben von Montenegro, Serbien, Russland, England, Frankreich, Belgien, Ägypten, Monaco, Japan und Marokko. Den äußeren Rand schmücken die Banner von Rumänien, Griechenland, Türkei, Schweden, Norwegen, Dänemark, Niederlande, Schweiz, Italien, Spanien, Portugal, Amerika und China.

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Vom Einsatz in Frankreich, gefallenen Kameraden, erhaltenen Paketen und schlechtem Wetter berichten Karten von „Varnéville nach der Schlacht“ oder von eine recht düsteren Kircheninnern in Frankreichs Norden.

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Wie einen Schatz hütet Martin Heldmann auch die Photographien, welche seinen Vater im Kreis seiner Kameraden zeigen, in einem ausgehobenen und mit Weidengeflecht befestigten tiefen Schützengraben, nach einer schweren Armverletzung im Fürther Krankenhaus oder vor einer „Epicerie“, einem „Lebensmittelgeschäft“ in Frankreich.

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Selbst aus der Gefangenschaft gibt es eine Gruppenaufnahme, bei der Martin Heldmann und seine Kameraden einen Anzug mit PG-Aufdruck für „Prisonnier de Guerre“, als „Kriegsgefangener“ tragen, eine Karte, die über Paris nach Deutschland kam.

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Damals, so sein Sohn, musste sein Vater vier Jahre lang, von 1916 bis 1920, bei französischen Bauern Feldarbeit leisten. Doch welche Freude, als man ihn und einen Kameraden in Sulzbach-Rosenberg vom Knecht mit einem Pferdegespann abholen durfte. Drei Jahre später wurde mit Maria Horst Hochzeit gefeiert und „das Leben sollte weitergehen“.

Sein Sohn Martin erinnert sich noch gut an die damals große Armut, auch auf dem Land. Zwar gab es in Hahnbach noch über 100 landwirtschaftliche Betriebe, doch waren darunter auch viele „Kleinhäusler“ mit nicht selten nur einer Kuh, und oft bis zu 10 Kindern oder mehr. Um diese „durchzubringen“, war man gezwungen, diese Kinder bei größeren Bauern für Essen und etwas Taschengeld zu verdingen.

Für Martin Heldmann, der selber am Zweiten Weltkrieg „wegen dieses größten Verbrechers aller Zeiten, dem Hitler“ teilgenommen hat, scheinen diese alten Zeiten noch recht präsent zu sein.

Man fühlt regelrecht seine Empfindungen und versteht nur allzu gut einen seiner innigsten Herzenswünsche. Dieser lautet:

„Bitte schultert keine Gewehre mehr beim Gefallenengedenken am Volkstrauertag in Hahnbach!“ Und er fügt leise hinzu: „In fast allen anderen Gemeinden gedenkt man ja auch ohne Waffen“ und „Es gibt doch eh´immer noch zu viel Krieg und Morden mit Gewehren auf dieser Welt!“

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