Mit 75 Jahren doch jung gebliebene Renate Schmidt referierte über "Was ich denke – was ich glaube“

Hellwach und mit präzisen, überzeugenden Argumenten, die oft Zwischenapplaus ernteten, erlebte ein gut besuchter Kubus eine jung gebliebene 75jährige Renate Schmidt, ehemals Ministerin der SPD für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Zu einem kurzen Statement und einem Gespräch mit Siegried Kratzer, den Vorsitzenden des EBW, hatte sie auch die Katholische Erwachsenenbildung und die Gemeinde Ursensollen zum Thema „Was ich denke – was ich glaube“ eingeladen.

Als „ermutigendes Beispiel“, deren Stärke und Kraft von überwundenen Ängsten stammt, präsentierte sich die „Zeitzeugin“. Gerade auch ihr „Mut zur Menschlichkeit“, so einer ihrer Buchtitel, bleibt wohl stets aktuell, obwohl Renate Schmidt „alles viel zu langsam geht“. „Wir müssen die Welt für unsere Urenkel retten“, wofür sich aber ein jeder Mensch „schmerzhaft ändern“ müsse, so ihr eindringlicher Appell gleich zum Anfang.

Gerade deshalb empfehle sie auch ein Familienwahlrecht, da „Kinder sehr wohl wissen, was richtig und wichtig ist“ und gerade deren Bedürfnisse in einer alternden Gesellschaft nicht übersehen werden dürfen. Deshalb müsse auch „die Umweltpolitik radikaler werden“, fuhr sie fort. Doch diese sei unbedingt immer mit der sozialen Frage zu verknüpften. Würde ihre Partei dies verstärkt tun, sähe sie auch neuen Aufschwung für sie, antwortete sie auf eine Zuschauerfrage.

„Mangel an Respekt vor der Lebensleistung der Menschen in den neuen Bundesländern“ sah sie als „Fehlkonstruktion“ der Wiedervereinigung und als Erklärung für manch „altes Denken“. Auch müssten alle Parteien begreifen, dass „Digitalisierung und Globalisierung für viele Heimatlosigkeit“ bedeute. Gerade Kommunen könnten aber hier gegensteuern und viel Positives bewirken.

Die „obszöne Ungleichheit“ von Vorstandgehältern zu Normalverdienern, falsch konzipierte Algorithmen, welche nur die eigene Meinung bestärken würden, sah sie als weitere „Brennpunkte“, welch unbedingt gerade auch politisch angegangen werden müssten.

Ihr Plädoyer für Europa gipfelte mit „ohne EU sind wir nichts, verloren in dieser Welt“. Es müsse aber ein Europa sein, welches Fluchtursachen effektiv bekämpfe, ein Aufrüsten stoppe und hemmungslose Rüstungsverkäufe verbiete.

Familien brauchen 1. Geld, 2. eine vernünftige Infrastruktur und drittens Zeit, wusste sie und wünschte „mehr Flexibilität“ vor allem von den Unternehmen, die eine Karriere auch nach der Kindererziehungszeit möglich machen sollten.

Zu ihrem persönlichen Glauben gefragt, antwortete sie, dass sie fest von „einem göttlichen Prinzip, welches alles zusammenhält“ überzeugt sei. Sie lebe ihren evangelischen Glauben aber „in der Freiheit eines Christenmenschen“.

Ihr Lieblingstext der Bibel sei jene Stelle aus dem Lukasevangelium, in der von Jesu Besuch bei den Schwestern Maria und Marta berichtet werde. Sie freue sich, dass Jesus Maria, und damit alle Frauen, ermuntert habe, sich nicht wie Marta nur um Haushalt und Arbeit zu kümmern, sondern auch um die Seele.

Schmidt stimmte Kratzer zu, dass ein weltweiter Religionsfrieden entstehe, wo man „glaube wie Jesus“. „Mich hat ein gläubiges Urvertrauen ins Leben und zu den Menschen durch Leben getragen“ resümierte sie zum Ende des Abends. Kratzer dankte mit Martin Bubers Worten: „Eine wahrhafte Begegnung, welches wahrhaftes Leben ermöglicht“, dem sich starker Applaus anschloss.

Bürgermeister Franz Mädler bat zusammen mit Michael Rischke, Kreisrat und SPD-Ortsvorsitzender, noch um einen Eintrag ins „Goldene Buch“ der Gemeinde. Renate Schmidt verabschiedete sich mit einer kurzen, humorvollen persönlichen Geschichte, welche sie mit Ursensollen verbindet. In einem damaligen einfachen Ferienhaus bei Ursensollen hätten sie sich gerne im Bikini gesonnt und so immer wieder amerikanische Bewunderer angezogen, bis der Pfarrer um das „Abstellen dieses Ärgernisses“ gebeten habe.

Renate Schmidt, ehemals Ministerin der SPD für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beim Eintrag ins „Goldene Buch“ der Gemeinde Ursensollen, Bürgermeister Franz Mädler (rechts)

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