Vilseck: Der Kampf um das Schulkreuz - Schulstreik in Vilseck 1941
Das ist nun schon fast 79 Jahre her, doch viele Vilsecker wissen noch davon, meist aus mündlichen Überlieferungen. Schriftlich sind die Vorgänge um das Schulkreuz auch in der Chronik der Stadt Vilseck festgehalten.
Begonnen hatte alles nach den Sommerferien 1941. Es hatte sich herumgesprochen, dass die Kruzifixe aus den Schulsälen entfernt worden seien. Vor der Flaggenhissung am 8. September fragte der Bauer Dotzler aus Ebersbach den Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Stubenvoll, ob es wahr sei, dass die Kreuze nicht mehr in die Schule kämen. Auf die bejahende Antwort hin nahm der Bauer seine vier Kinder und erklärte, dass sie dann nicht mehr in die Schule kämen.
Sofort eilten viele Frauen mit ihren Kindern und den Schulneulingen herbei und bestürmten den Ortsgruppenleiter und den Schulleiter. Ein Wortwechsel entstand, es herrschten Tumult und lautes Geschrei. Der Aufruhr war fertig!
Äußerungen fielen, wie: „Unsere Soldaten bekämpfen an der Front den Kommunismus, und jetzt wird in der Heimat versucht, den Kommunismus aufzuziehen“ oder „Diejenigen, die sich so gegen die Religion stellen, sollte man an die Front schicken!“ oder „Haben die Herren jetzt nichts anderes zu tun, als die Frauen, die zuhause ihren Mann stehen, in Mißstimmung zu bringen?“ und so weiter.
In seiner Ratlosigkeit holte der Bürgermeister den Gendarmerie-Kommissär, der mutig erklärte, man sollte nur die Kreuze wieder in die Schule tun, dann sei der Fall erledigt. Die Diskussion ging aufgeregt hin und her. Schließlich griffen auch vier Soldaten, die auf Heimaturlaub waren, ins Geschehen ein, jedoch vergeblich.
Sie holten dann von Schlossermeister Einhäupl einen Dietrich und öffneten die Tür zum Speicher, wo sich die Kreuze befanden. Ehrfurchtsvoll und unter lautem Gebet der Anwesenden, die inzwischen in das Schulhaus eingedrungen waren, trugen die Soldaten die Kruzifixe wieder in die Schulsäle, und die Leute weinten vor Ergriffenheit.
Am nächsten Morgen jedoch waren die Kreuze wieder verschwunden, und es kam zum gleichen Auflauf. Es erschien der Kreisleiter Kolb von Amberg mit dem Vertreter des Landrats. Ungeniert erhoben die Vilsecker Frauen und zahlreiche Männer, das Sägewerk Propst hatte den Familienvätern freigegeben, wieder ihre Forderungen. Auch die Soldaten waren wieder da und sagten den Parteileuten ins Gesicht: „Wir haben an der Front vor jedem Kreuz gebetet, und ihr treibt daheim Bolschewismus!“ Kolb war machtlos, und der Protest nahm kein Ende.
Am dritten Tag ließ der Bürgermeister ausläuten, dass alle Schüler kommen müssten. Es erschienen aber nur 25 Kinder, nämlich die von Nazis und furchtsamen Eltern und Beamten. Für diese wenigen mussten die Lehrkräfte Schule halten. Lehrerin Frl. Höllerer machte dem Schulleiter deswegen Vorhaltungen. Sie wurde sofort zwangsversetzt.
Offiziere der deutschen Wehrmacht und Fallschirmjäger vom Lager Grafenwöhr wurden Zeugen der Vorgänge und waren empört. Sie richteten eine Beschwerde an die Reichsregierung und ermunterten die Leute: „Haltet aus, lasst euch das nicht gefallen!“
So ging der Schulstreik noch drei Wochen weiter und wurde zu einem richtigen Politikum. Die Vilsecker Hartnäckigkeit war in aller Munde. Immer wieder wurde versucht, die Kinder in die Schule zu zwingen. Man hoffte nun auf ein Ende nach den Kartoffelferien. Umsonst!
Wiederholung des gleichen Schauspiels mit den protestierenden Müttern! Aber diesmal brachten die Kinder selbst vier Kreuze mit, behängt mit silbernen und goldenen Mutterkreuzen. Der Schulleiter verwehrte den Kindern den Eintritt, verschwand hinter der Schulhaustüre und sperrte sie ab. Da wandten sich Männer telefonisch an den Landrat. Der versprach schließlich Abhilfe.
Er veranlasste, dass drei Frauen eine Erklärung unterzeichnen sollten, die da lautete: „Wir bedauern die Vorfälle, hatten aber nichts gegen Staat und Partei unternehmen wollen. Um des Friedens willen unterschrieben sie, und der Bürgermeister musste am 14. Oktober 1941 die Kreuze wieder in den Klassenzimmern anbringen lassen. Zimmermann Ernst sorgte dafür, dass sie fest angenagelt wurden. Jetzt erst war in Vilseck „Kreuzerhöhung“!
Der Kampf um das Schulkreuz war das Verdienst der standhaften, christlichen Frauen. Es hat sich weit herumgesprochen und auch anderen Mut gemacht. Man sieht aus dem Vorgehen, dass die Vilsecker religiös und politisch sehr agil waren, wenn es galt, ihre Rechte durchzusetzen. Groll und Wut der unterlegenen Nazis jedoch blieben noch lange spürbar.
Das Vilsecker Schulhaus stand im Kriegsjahr 1941 im Mittelpunkt des Geschehens. Hier tobte ein erbitterter Kampf um das Schulkreuz
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