"Ehemalige oder existente Gasthäuser unserer Gemeinde" - Heute: Atzmannsricht - Gasthaus „Weißes Ross“ der Familie Siegert - Wirtshausg´schicht´n
Atzmannsricht - Gasthaus Siegert
Die Rodung eines „Azmann“ tritt als „Atzmannreut“ 1188 erstmals in das Licht der Geschichte. Als Bestandteil des Amtes Vilseck dürfte das Dorf 1016 oder 1017 zum Bistum Bamberg gekommen sein. Doch diese Zugehörigkeit und die Eigenschaft als Filiale der pfälzischen Pfarrei Sankt Martin von Gebenbach war weit über die Reformationszeit hinaus Anlass zu wiederholten Streitigkeiten.
Zwei Gasthäuser hatte das kleine Dorf: die Wirtschaft von Josef Fenk, der Hausnummer 13, im Schatten der Kirche, die beide beim großen Brand 1845 verschont wurden, und das Gasthaus „Weißes Ross“ der Familie Siegert.
Aus der Gebenbacher Chronik von Dr. Heribert Batzl erfahren wir, dass dieses Anwesen als „Der Wirt“ bei der Hausnummer 16 registriert ist. 1565 ist Hans Sigler als Besitzer eingetragen. Die reale Bierschenkgerechtigkeit für die „unbedeutende Dorfschenke“ hatte 1812 die Gemeinde.
Trotz einer Beschwerde von 1821 darf dort eine Tanzveranstaltung und auch das „Auskochen oder Gästebeherbergen“ erfolgen. Die Besitzer wechselten, die Schenke blieb.
Der große Dorfbrand von 1845 soll im am Haus des damaligen Wirts ausgebrochen sein. Ein auswärtiger Schweinehändler sah spät nachts noch mit einer brennenden Kerze nach seinen Ferkeln und entfachte damit ein Feuer, welches nahezu das ganze Dorf vernichtete.
Von der Familie Lederer wird das Wirtshaus, wie viele andere Gebäude, wieder aufgebaut, aber nun am Dorfrand.
Auch Anna Siegert, Schwiegertochter von Juliane und Hans-Georg Siegert und Witwe von Johann Siegert, eine geborene Meiller aus Saltendorf, führt ab 1959 jene Gastwirtschaft allein fort. Sie baut 1976 ein neues Haus und gibt 1982 die Gastwirtschaft ganz auf.
Juliane und Hans-Georg Siegert
Wirtin Juliane Siegert, Margarte Winderl und Verwandtschaft
Eine besondere Kirchweih
Höhepunkt des Jahres war und ist alljährlich die Kirchweih am letzten Sonntag im Oktober, um den 31. Oktober herum, dem Fest des Kirchenpatrons St. Wolfgang, welche stets gebührend gefeiert wurde und wird.
Allerdings bedurfte es dazu bereits um 1559 eines eigenen „Kirchweihschutzes“, da der Ort zum Bistum Bamberg gehörte. 1615 musste dafür der Landrichter von Amberg bis zum Sonnenuntergang Reiter nach Atzmannsricht abstellen Die Bürger hatten dafür 30 Kreuzer zu bezahlen.
Das kaum zwei Kilometer entfernte Gebenbach aber war bereits im Bistum Regensburg gelegen. Man sah es nämlich gar nicht gern, wenn Gebenbacher oder gar Hirschauer nach Atzmannsricht pilgerten und auch noch am Wolfgangstag dort „opferten“. 1615 wird dies sogar öffentlich beanstandet und ein Unterlassen gewünscht.
Warum wohl hat die Feier dieses Patrozinium den Beinamen „Watschnkirwa“ bekommen?
Denn nicht nur für diese Kirchweih galt: „A Kirwa, aaf der niat grafft wird, is koi g‘scheide Kirwa.“
Regelmäßig sollen Burschen aus umliegenden Dörfern, und nicht nur aus Gebenbach oder Burgstall, „extra zum Raffa“ gekommen sein. Anne Zöller, die Ziehtochter von Anna Siegert, erinnert sich, dass sich ihre Mutter manchmal nicht anders helfen konnte, als dann das Licht auszuschalten, um Menschen und Mobiliar zu schonen. Auch Wasser soll vereinzelt zum Einsatz gekommen sein, um die Raufenden zu trennen.
Es ging schon richtig hoch her, damals bei der Kirchweih. Da war, wie selbstverständlich, auch die halbe Verwandtschaft zum Vorbereiten und während der vier Tage der Kirchweih von Freitag bis Montag gefragt.
Der Vater von Anne Zöller, Metzger und und Wirt in Pertolzhofen, kam dann eigens, um zu schlachten. Mit dem Zug musste er erst nach Amberg und mit der Lokalbahn nach Gebenbach, wo er gerne zur Zwischenstation im Gasthof Friedl einkehrte.
Einmal traf er dort auf den „Schousta Kou‘l“ aus Atzmannsricht und fragte ihn, ob er ein Fahrzeug dabei habe; dieser bejahte, um ihn dann lachend zu seinem Fahrrad zu führen. Als die beiden das Dorf erreichten, behauptete der Wirtsluck, er wisse schon, wo der „Schousta“ wohne, und begleite ihn noch heim.
Dieser machte sich einen schlitzohrigen Spaß daraus, ihn ins falsche Anwesen zum Hansdorner marschieren zu lassen, wo dieser lautstark und wiederholt zu den nachtdunklen Fenstern hinaufrief: „Schoustakou‘le, mach aaf, Schoustakou‘le, mach aaf!“. Ob sie wegen der nächtlichen Ruhestörung Ärger bekamen, ist nicht überliefert.
Nach dem Schlachten war das Kirchweihangebot an Essen enorm. Es reichte von Leberkäs über Gans- und Schweinebraten, Karpfen, Bratwürste und Sulzen bis hin zu Hunderten von Kücheln. Auch gab es dann Bier vom Fass und viele Gäste aus dem nahen und weiteren Umland kamen gerne ins Dorf.
Der Saal
Im ersten Stock des Siegert‘schen Gasthauses befand sich zudem ein einfacher Saal mit einem Bretterboden und geweißten Wänden. Während des Jahres war er der ideale Boden zum Wäschetrockenen, aber an der Kirchweih oder zu Hochzeiten spielten dort bis in die 60er Jahre Musikanten zum Tanz auf. Auch „fahrendes Volk“ gab dort schon mal eine Theatervorstellung, die als seltene Abwechslung gerne besucht wurde.
In der Küch und in der Stubn
Anne Zöller erinnert sich auch noch gut daran, dass während der Woche die Wirtstube grundsätzlich in die Küche verlegt wurde. Meistens waren es an die zehn Männer, die sich dort trafen, da es ja keine Fernseher und Getränkedepots gab.
Küche im Wirtshaus Siegert in Atzmannsricht
Auf der Eckbank und den Stühlen, welche man bei Bedarf auch noch aus der größeren Wirtstube holen konnte, wurde dann manches Tagesgeschehen diskutiert, viel Karten gespielt, aber auch gerne gesungen.
Wenn einer der Beteiligten „auf’s Häusl“ musste, sprang dann oft die Wirtin selbst als „Brunzkarter“ ein; ihre Tochter allerdings sollte besser nicht Kartenspielen lernen.
Die eigentliche Wirtstube war nur sonntags geöffnet. Essen gab es außerhalb der Kirchweih bloß auf Bestellung, was zum Beispiel die so genannten OBAGerer aus Hirschau wiederholt in Anspruch nahmen. Allerdings blieben diese dann nach dem Mittagessen so gut wie immer bis zu ihrem Feierabend sitzen.
Auch kam es schon vor, dass mancher „Hockel“ spät abends von seiner Ehefrau abgeholt wurde, da diese fürchtete, dass ihr Mann ansonsten zu viel Geld vertrinken könnte.
Das überfahrene Huhn und die Durchreiche
Zwischen Gaststube und Küche war eine Durchreiche. In diese steckte eines Tages Oma Juliane, eine „g‘standne Frau“, einmal sogar einen Nachbarn.
Was war passiert? Ein Huhn hatte man auf der Straße überfahren, beide Parteien hatten es quietschen gehört, aber die Wirtin identifizierte es gleich als eines der ihren, rupfte es kurzerhand und steckte es in den Kochtopf.
Als der besagte Nachbar, ein bekannter „Prozesshansl“ und von eher kleiner Statur, abends noch einmal aufgebracht zu ihr kam und das Federvieh für sich reklamierte, stupste er sie im Eifer des Gefechts am Arm.
Doch überzeugt von der Rechtmäßigkeit ihres Besitzes und aufgebracht durch diese Berührung, welche sie ein wenig ins Ungleichgewicht gebracht hatte, ereiferte sich die Seniorwirtin: „Duu langst mich a! Duu langst mich a?“
Sie drehte den Ankläger um, packte ihn von hinten am Schlawittl und schob ihn zum Erstaunen aller Anwesenden prompt durch die geschlossene Durchreiche. Das Glas des Schiebefensters splitterte, der Stich blieb glücklicherweise unverletzt, aber damit waren für alle die (Besitz-) Verhältnisse geklärt und das Huhn blieb, wo es war, beim Wirt.
Für die anderen da
Für die letzte Wirtin Anna Siegert aber galt das Leitmotiv: „Als Wirtin mousst vüül hean und deafst nix wissn“.
Im Eingangsbereich zum Gasthaus, im Hausgang vor der Gaststube, konnte man zwei große Ringe an der Decke sehen, die wohl beim Schlachten zum Aufhängen des Tieres gebraucht wurde.
Später gab es dort einen Zigarettenautomaten, zeitweise sogar einen Kicker und eine Kühltruhe für Speiseeis.
Als man einmal die kleine Anne(lies) losschickte, um, ausgerüstet mit einem Schemel, Zigaretten zu holen, wollte der Automat das Geld nicht annehmen. Man empfahl ihr „Spucks a!“ und meinte natürlich das Geldstück, doch die Ärmste versuchte, mit der Spucke den Geldschlitz zu treffen, was ihr manchen Lacher einbrachte.
Jene Anne erinnert sich auch noch daran, dass man anklopfte, bevor man die Werktagswirtschaft, sprich die Küche, betrat. Die Verantwortung der Wirtin reichte aber weit über die bloße Bewirtung hinaus. So habe ihre Mutter immer wieder einmal einen Betrunkenen „halberts“ nach Haus geführt.
Das heißt: Sie begleitete jenen bis zur Hälfte des Wegs heim, schickte ihn in die richtige Richtung, sah ihm noch ein wenig nach und machte sich dann mit ängstlichem Herzklopfen auf den Weg in der Dunkelheit zurück.
Als einmal einer ihrer Stammgäste, ein „Besamerer“, nach einem Besuch in ihrem Wirtshaus für eine Zeitlang den Führerschein verlor, chauffierte sie diesen sogar mit dessen Auto zu seiner Kundschaft auf die Dörfer, da dessen Ehefrau keinen Führerschein besaß. Was für ein Service!
Der Bierkeller
Das Bierlager beim Wirt war ein feuchter Felsenkeller am Haus, welchen man über eine Tür und ausgehauene Steinstaffeln von der Küche her erreichte.
Anne Zöller erinnert sich noch heute an den modrigen Geruch von damals, der ihr zusammen mit der schummrigen Beleuchtung immer unheimlich war, aber den Bierflaschen natürlich nichts anhaben konnte.
Kam die Lieferung von der Brauerei, legten die Bierfahrer auf die Stufen ein langes Brett, auf dem die Kästen hinunterrutschten, um von einem der beiden aufgefangen und gestapelt zu werden.
Über die Atzmannsrichter Gastwirtschaft Fenk lesen Sie nächsten Samstag
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