Wertvollen und nachhaltigen Dokumentationsband erstellt
Unzählige Stunden liebevoller Detail-Arbeit waren für Andreas Sichelstiel aus Irlbach notwendig, um innerhalb von mehreren Jahren ein lang verschollen geglaubtes Manuskript vom ehemaligen Pfarrer Kutschenreiter auszuwerten und in einen wertvollen, nachhaltigen Dokumentationsband zu verwandeln.
„Die eigentliche Arbeit leistete Pfarrer Kutschenreiter“, teilte Andreas Sichelstiel mit. Pfarrer Franz Seraph Kutschenreiter (Pfarrer der Pfarrei Hahnbach von 1888-1902) erstellte in (alt-)deutscher Handschrift ein Werk, welches einen ganz persönlichen und unverstellten Blick auf die eigenen Vorfahren und die Geschichte der Pfarrei St. Jakobus erlaubt.
Der Geistliche war es, der die Kirchenbücher der Pfarrei von Beginn an, also vom Jahr 1572 bis gegen Ende seiner Schaffenszeit in Hahnbach im Jahr 1900, auswertete.
Im Detail heißt das, dass er für alle (!) Familien in der Pfarrei Hahnbach eine komplette Abfolge erstellt hat, so dass man bei vielen Familien bequem bis ins 16 Jahrhundert zu seinen Vorfahren vorstoßen könne. Zumindest aber bis zu dem Punkt, an dem der erste Namensträger in die Pfarrei gekommen ist. Im Grunde verfasste Kutschenreiter damit ein Ortsfamilienbuch, ohne es jedoch zu veröffentlichen. Dies wird nun nachgeholt.
Bei der Präsentation des von Sichelstiel abgeschriebenen Manuskripts mit Ortspfarrer Dr. Christian Schulz und Bürgermeister Bernhard Lindner brachten diese ihr Erstaunen und ihre Bewunderung für dieses umfangreiche Werk dar.
„Wie die Jungfrau zum Kind!“- Das war die Antwort des Heimatforschers auf die Frage, wie er zu solch einer speziellen Aufgabe gekommen ist. Der Anfang dieser Geschichte liegt in einer losen Blättersammlung, welche vor etwa 6 Jahren von einem Unbekannten im Hahnbacher Rathaus in einer Plastiktüte abgegeben wurde (awz-hahnbach.de berichtete).
„Da war eben auch dieses Manuskript von unserem Kutschenreiter dabei“, führte Andreas Sichelstiel aus. Nach Beratungen mit Ortsheimatpfleger Ludwig Graf, was man denn mit diesem Material machen sollte, entschied man sich, dass die wieder heim gekommenen Unterlagen der Öffentlichkeit in einem Buch zur Verfügung gestellt werden sollen.
Der von der Pfarreigeschichte infizierte 35jährige Irlbacher behauptet selbst, dass dies „Geschichte zum Anfassen“ sei, nicht von „oben“, von den Herrschern und Ländereien, sondern von den einfachen Bewohnern der Pfarrei. Fast 500 Seiten bilden einen übersichtlichen Blick auf die Familien des Marktes und der pfarreizugehörigen Dörfer. Detaillierte Stammbäume der bedeutenden Familien bilden ein eigenes Kapitel.
Ergänzt wird das Familienregister durch ein Nachnamen- und Ortsregister, so dass jeder sofort „seine“ Vorfahren finden kann. Man könne zu Recht behaupten, dass dieses Buch eine ideale Ergänzung zu bestehenden Werken und Chroniken ist, mithilfe dessen man die Entwicklungen der Pfarrei direkt von den normalen Leuten aus beobachten kann.
Neben den sachdienlichen Hinweisen werden auch manch kuriose Geschichten zum Nachdenken und Schmunzeln erwähnt: Ein Pfarreiangehöriger zum Beispiel hatte das Pech, dass ihm vier Ehefrauen jeweils ca. zwei Wochen nach der Hochzeit verstarben. Demnach wollte ihn keine weitere mehr heiraten, so dass er bereits mit 36 Jahren vierfacher Witwer war.
Oder aber Andreas Schlosser, der 1815 mit 56 Jahren auf kuriose Art und Weise starb: Erschlagen, angeblich von dem Schwan des Erhard Rösch, über deren Anwesen er Kurator war. Solche Geschichten sind es, die dieses Buch auch über die eigene Familiengeschichte hinaus interessant machen, meint Sichelstiel.
Bei der offiziellen Überreichung des nun aufgelegten Familienregisters der Pfarrei Hahnbach dankten Bürgermeister Lindner und Pfarrer Dr. Schulz Sichelstiel mit all seinen Helfern dafür, dass „ein schlummernder Schatz gehoben wurde“.
Für alle Interessierten besteht nun die Möglichkeit, gegen Vorbestellung eine Ausgabe des Werkes für 35 Euro bei der Marktgemeinde käuflich zu erwerben. Ein Exemplar liegt zur Ansicht in der Gemeindeverwaltung aus. Die originalen Dokumente wurden Pfarrer Dr. Christian Schulz zur Aufbewahrung im Pfarrhof übergeben.
Erfreut zeigten sich Bürgermeister Bernhard Lindner (links) und Pfarrer Dr. Christian Schulz (rechts) bei der Präsentation des mühevoll erstellten Nachschlagewerkes von Andreas Sichelstiel (Mitte)
Zur Person von katholischer Pfarrer und Heimatkundler Franz Seraph Kutschenreiter
Als Sohn einer Glasmacherfamilie wurde Franz Seraph Kutschenreiter 18.01.1849 in Schönbach (Drachselsried) im Bayerischen Wald geboren. Nach seiner Schulzeit in Weiden und im Kloster Metten bei Deggendorf studierte er Theologie und Philosophie in Regenburg. Sein Studium schloss er dort mit hervorragenden Leistungen ab. Sofort im Anschluss wurde Franz Seraph Kutschenreiter 1873 in Regensburg zum Priester geweiht.
Zunächst war er Kooperator in Leonberg bei Schwandorf. Ab 1877 wurde er in gleicher Funktion nach Nittenau berufen. Nach dieser Zeit übertrug man ihm 1880 die Leitung der Pfarrei Pielenhofen im jetzigen Truppenübungsplatz Hohenfels.
Von dort führte ihn sein Weg nach Hahnbach. Hier versah er 13 Jahre lang seinen Dienst als Pfarrer (vom 28. November 1888 bis zum 25. Februar 1902). Danach wirkte er als Seelsorger in Sulzbach. Zum Amtsantritt in Sulzbach musste er den Hirschauer Dekanatsposten, den er ebenfalls innehatte, aufgeben. Dort war er zusätzlich Distriktschulinspektor und Landrat.
Ende 1908 wurde er zum Bischöflich – Geistlichen Rat ernannt. Wegen des gerade begonnenen Ersten Weltkrieges wurde Kutschenreiter 1914 Pfarrvikar zu Sankt Kassian in Regensburg. Zugleich ist er als Stiftskanonikus des Kollegiatkapitels Unserer Lieben Frau zur Alten Kapelle in Regensburg erwähnt. Sein dortiges Amt übte er bis 1918 aus.
Verstorben ist Kutschenreiter schließlich am 07.05.1921 in Regenburg und liegt dort im Gemeinschaftsgrab des Kollegiatstiftes am Unteren Katholischen Friedhof begraben.
- Aufrufe: 1398