„Besondere Menschen“ in Hahnbach heute Teil 3 - Martin Wild, sen. (+2013)

Eine wirkliche Persönlichkeit, die viel Lebensweisheit ausstrahlte, war
Martin Wild, sen. (+2013)

Der am 30. April 1921 geborene und am 20. Januar 2013 verstorbene Martin Wild senior hat 52 Seiten über „Ein kleines Stück meines Weges“ hinterlassen, welche unsere Heimatpflegerin, Marianne Moosburger, freundlicherweise lesen durfte. Darin schildert er äußerst bewegende Erlebnisse seiner Kindheit und Jugend und vor allem während des zweiten Weltkriegs.

Man erfährt, dass er als Ältester seiner Geschwister schon früh in der elterlichen Landwirtschaft und der Schmiede mithelfen musste. In seinen Träumen allerdings sah er sich als Gärtner, Elektriker und auf Reisen in ferne Länder.

Ein wenig davon erlebte er erstmals beim Ernteeinsatz im Thüringer Wald, bevor er am 2. Dezember1939 zur 13. Infanterieersatzkompanie einberufen wurde. Schon bald führte ihn das Kriegsgeschehen ins östliche Tchechien und schließlich ins damalige Jugoslawien.

Dramatische Erfahrungen allerdings machte er vor allem im Russlandfeldzug bei erbitterten Kämpfen und in äußerster Not. Immer wieder war „die Versorgung der Truppe gleich null“ und bei 40 bis 52 Grad unter null erfroren Kameraden und Pferde. Immer wieder wurde seine Einheit abgeschnitten und „der Schnee war übersät mit Toten“.

Das Fleisch der tiefgefrorenen Pferde kochte auch er in Schneewasser und musste tagelang nur von Honig leben.

Wanzen, Hunger und Durst trieben ihn fast in den Wahnsinn, erzählt er. Freunde und Kameraden sah er sterben und wird selber mehrmals am Kopf und am Fußgelenk verwundet. Verzweifelt muss er begreifen „in dieser Hölle stirbt jeder für sich alleine“.

Doch neben allem Schrecken und Grauen jenes Krieges, erzählt Martin Wild auch von selbstloser Hilfe und Güte, die er bei der einfachen Bevölkerung erfuhr. So spendiert ihm ein alter Russe zu seinem 21. Geburtstag heißen Tee aus dessen Samowar. Manche Brot- und Wasserspenden einfacher Bauern retten ihm sogar das Leben. Interessiert an allem Neuen, bewundert er die handwerklichen Fähigkeiten der Russen und lernt bei Kontakten „nebenbei“ die russische und polnische Sprache.

Selbst mitten im Krieg erlebt er Wochen der Ruhe „wie im Urlaub“, als gegenüberliegende feindliche russische Soldaten beschlossen hatten: „Wir schießen nicht und ihr auch nicht!“ Auch sein Gewissen meldet sich immer wieder und so verzichtet er nicht nur auf das befohlene Abbrennen eines einfachen Bauernhauses, in dem er verschreckte Menschen entdeckt, oder auf das Erschießen Wehrloser.

Schlimmste Erfahrungen aber macht er in polnischer Gefangenschaft, in der es galt „das nackte Leben zu erhalten“ und Kameraden zu Hunderten „still verhungerten“. Mit einem Freund schließlich gelingt ihm die Flucht, die ihn sechs Wochen lang in meist nächtlichen Fußmärschen zurück nach Hause bringen soll.

Als einmal die Chancen 1:99 gegen seine Entdeckung durch einen Suchtrupp mit Hunden stand, erlebte der gläubige Christ ein für ihn „echtes Wunder“

Kurz davor hatte er nämlich ein verblassendes Bild der schwarzen Madonna von Tchenstochau /Jasna Gora an einem Baumstamm entdeckt. Bis an sein Lebensende war er sich sicher, dass ihn damals sein flehentliches Gebet zur Mutter Gottes in jener scheinbar ausweglosen Situation gerettet habe.

Nach unglaublichen Anstrengungen und schon fast zuhause, schnappen ihn noch russische Grenzschützer an der sächsisch-bayrischen Grenze. Aber auch hier entkommt der gewiefte Hahnbacher mit viel Glück und Schläue.

Nach sechs Jahren Abwesenheit kann er dann in Hahnbach endlich Eltern und Geschwister wieder in die Arme schließen.

Doch lange noch plagen ihn nächtliche Alpträume.

Langsam reift da in ihm die Erkenntnis, sich schreibend mit jener traumatisierenden Zeit auseinanderzusetzen und mit seinen ehrlichen Aufzeichnungen seine Kinder und Enkel eindrucksvoll zu mahnen: „Nie wieder Krieg!“

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