Vilseck: Lumpensammler, Bettler und Hausierer
Zweimal jährlich kam er nach Vilseck, der Lumpensammler. Auf dem Marktplatz vor dem Amtsgericht postierte er sich mit seinem Karren, später mit einem kleinen Auto. Tags zuvor musste der Stadtdiener überall ausrufen, dass der Lumpensammler wieder kommt.
So erzählt es Anna Winderl, die dies in ihrer Kindheit zwischen den beiden Weltkriegen selber noch erlebt hat. „Viel konnte man dem Lumpensammler ja nicht mitgeben, denn man hatte ja selber kaum etwas. Es ist fast nichts weggeworfen worden. Nur abgetragene oder zerschlissene Kleidung, Stoffreste und eben das, was nicht mehr zu flicken war, kam in den Lumperersock oder wurde als Putzlumpen wieder verwendet“, berichtet sie.
„So trug man seine Sachen zum Marktplatz, wo der Lumpensammler alles genau angeschaut hat. Dann bekam man dafür manchmal eine Vase, eine Sammeltasse oder einen Teller mit Goldrand. Das war schon was! Der Lumpensammler brachte dann alles zu einer Mühle, wo Papier daraus gemacht wurde. Meist im Frühsommer kam auch der Gmöis-Ma aus Forchheim, dem unsere Mutter ab und zu ein Pfund Kirschen abkaufte.“
Die 90-Jährige berichtet weiter: „Nach dem 2. Weltkrieg war die Not überall groß. Aus den Städten kamen sogenannte Ausgebombte auf’s Land. Sie verschacherten ihre letzten Habseligkeiten und waren dankbar für ein Stück Brot oder ein paar Erdäpfel. Bettler gingen von Haus zu Haus. Auch die Flüchtlinge mussten sich irgendwie über Wasser halten und boten den Einheimischen ihre Arbeitskraft und Unterstützung an.
Viele Leute gingen auf’s Hamstern. Manche hatten eine alte Blechdose dabei und baten überall um einen Löffel Fett, welches sie dann in ihrer Büchse sammelten. Wenn die Bedürftigen merkten, wo hilfsbereite Menschen wohnten, tauchten sie natürlich immer wieder und immer öfter auf“, weiß Anna Winderl zu erzählen.
„Später kamen dann auch Eisensammler, Scherenschleifer und Hausierer an die Türen, Kreeweibln aus dem Fränkischen und der Heffer-Ma aus Nürnberg, der seine Backhefe und noch anderes Zeug an den Mann, beziehungsweise an die Frau bringen wollte. Im Gegenzug bekam er dann vom Mittagessen etwas ab.
Nicht selten standen Wandermusikanten vor der Tür und erspielten sich mit ihrer Ziehharmonika ein paar Pfennige oder eine kleine Brotzeit.
Erst in den 1960er Jahren hörte sich dies alles auf. Die deutsche Wirtschaft erholte sich und die Menschen hatten wieder ausreichend Arbeit und Brot.“
In den Kriegs- und Nachkriegszeiten herrschte in Deutschland große Not. Menschen flüchteten aus den Großstädten aufs Land, um wenigstens nicht verhungern zu müssen
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