Vilseck: Alte Geschäfte - Schießlbauer-Wilfling

Das Schießlbauer-Haus auf dem Marktplatz um 1960. Leider ist die schöne Fassade nicht mehr vorhanden

Langsam geht die Reihe über die alten Vilsecker Geschäfte zu Ende. Heute erinnern wir uns an ein altes Geschäftshaus auf dem Marktplatz, jetzt Haus-Nr. 30.

Nachdem 1906 eine Brandkatastrophe mehrere Häuser neben dem Vogelturm in Schutt und Asche gelegt hatte, errichtete Johann Schießlbauer dort sein Wohn- und Geschäftshaus erneut. Der gelernte Schneider führte eine gutgehende Herrenschneiderei und einen Verkaufsladen für Stoffe und Schneidereizubehör. Aus seiner Ehe mit Kathi Stadler gingen zwei Kinder hervor: Hans und Anna, die spätere Frau Wolfrom.

Schießlbauers Enkelin Apollonia Wilfling, geb. Wolfrom, weiß noch zu berichten, dass ihr Großvater mit Unterstützung eines Gesellen stets gut beschäftigt war und Anzüge für Herren und Knaben nach Maß anfertigte. „Nach dem 2. Weltkrieg bekam Opa einen Großauftrag von den Amerikanern. Weil im Südlager noch keine Schneiderei war, musste er Schulterklappen auf unzählige Uniformen aufnähen“, erzählt sie. „Da haben auch einige Näherinnen aus Vilseck mitgeholfen.“

Da Sohn Hans aus dem Krieg nicht mehr zurückkehrte, ging es mit der Schneiderei bald zu Ende. Das Schießlbauer-Haus kam in den Besitz von Familie Wolfrom. Danach erbte es Apollonia, auch Lona genannt, die spätere Frau von Ludwig Wilfling.

Auch die Wilflings waren Geschäftsleute. Ludwigs Eltern, Franz und Margareta, kamen als Vertriebene aus dem Sudentenland nach Vilseck und fanden bei Xaver Kopf eine neue Heimat. Da sie schon im tschechischen Tachau eine Wirtschaft betrieben hatten, übernahmen sie die Bahnhofswirtschaft und richteten in diesem Gebäude auch eine kleine Metzgerei ein. Dies war aber nichts auf Dauer.

Schließlich konnten sie um 1953 ein Grundstück in der jetzigen Dr.-Reichenberger-Straße erwerben und dort ein eigenes Haus bauen.

Metzgereiladen mit Lebensmittelverkauf in der Dr.-Reichenberger-Straße

Der Viehhändler und Metzgermeister Franz Wilfling hatte im Keller Wurstküche, Räucherkammer und Kühlanlage. „Für die Herstellung seiner Wurstwaren brauchte er nie eine Waage. Er hatte ja seine Hände und dosierte alles nach Gefühl“, erinnert sich Schwiegertochter Lona.

Oben im Laden war Margareta für den Verkauf für das Kaufmännische zuständig. Besonders beliebt waren Wilflings Krakauer, Bauernseufzer und Geräuchertes.

Von der Hochwasser-Katastrophe im Juli 1954 war auch das neuerrichtete Wilfling-Haus betroffen

Auch Sohn Ludwig lernte das Metzgerhandwerk, machte 1959 seine Meisterprüfung und stieg mit seiner Frau Lona schließlich in das Geschäft ein. Im Hof entstand ein neues Schlachthaus mit Wurstküche. Alles musste über den Hof ins Haus und in den Laden befördert werden. Dies war auf Dauer keine Lösung. So errichtete man an der Straße einen kleinen Anbau für den Laden.

Als die Nachbarfamilie Zmyj ihr Kolonialwarengeschäft aufgeben musste, übernahmen die Wilflings auch deren Produkte. Nun gab es bei den tüchtigen Geschäftsleuten neben Fleisch und Wurst auch Lebensmittel und Brot.

Mit der Metzgereiwaren-Belieferung an die Hertie-Filialen in Bayreuth und Weiden und des damit verbundenen Preisdrucks gingen die Geschäfte immer mehr zurück. Außerdem hatte man in der Dr.-Reichenberger-Straße nur Stammkunden, aber keine Laufkundschaft.

So entschloss sich Familie Wilfling um 1990 zu einer Geschäftsverlegung in das Wolfrom-Haus auf den Marktplatz. Nach dem Umbau gab es im neuen Verkaufsraum auch eine warme Theke und einen Stehimbiss. Beliebt waren bei den Kunden vor allem die leckeren Schnitzel-Sandwiches und die frisch zubereitete Saure Lunge. Geschlachtet wurde aber nach wie vor im alten Betrieb.

Verkäuferinnen und Metzgerlehrlinge wurden eingestellt und waren täglich auch mit dem Transport der Waren von der Dr.-Reichenberger-Straße zum Marktplatz beschäftigt – ein enormer Aufwand!

Als der Chef Ludwig Wilfling 1995 mit 59 Jahren plötzlich verstarb, ging es nicht mehr weiter. Das Geschäft musste aufgegeben werden. Die Räume sind seitdem an verschiedene Imbissbetriebe verpachtet.

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