Vilseck: Bullenkörung am Ziegelanger

Im Stall von Georg Weiß (Tormeier) standen 1962 zwei Bullen; einer war neu, und einer hatte schon ausgedient. (von rechts) Landwirt Georg Weiß, ein Nachbarsbub, Michael Weiß und Ägidius Weiß

Ein Ereignis aus früheren Zeiten war in Vilseck die alljährliche Bullenschau auf dem Ziegelanger, auch Bullenkörung genannt. Dies will Rosi Hasenstab für die Nachwelt festhalten. Ihre Informationen stammen von einem Zeitzeugen.

Nach dem Krieg war der Ziegelanger einer der Hauptspielplätze Vilsecks. Das ganze Jahr über tummelten sich dort die Kinder und wurden nicht müde, ihre Kreativität und Spielleidenschaft auszuleben.

Nur einmal im Jahr, nämlich im Herbst, waren sie dort nicht gerne gesehen. Das war dann die Zeit für die große Bullenschau.

Hinter der Turnhalle, damals Kino und heute Willax-Werkstatt, standen zur linken Seite Richtung Schwimmbad, heute Tennisplatz, sechs bis acht Betonpfeiler. Sie waren etwas über einen Meter hoch und hatten am oberen, leicht abgerundeten Ende ein etwa zehn cm breites Loch.

Wenn man entsprechend groß war und sich traute, konnte man an den Betonpfeilern das Bockspringen üben. Doch dafür waren sie nicht gedacht.

Zur Herbstzeit wurde der Platz mit Stroh ausgelegt, und in die Löcher hat man Stangen gesteckt für die große Bullenschau, genannt Bummelkörung. Dazu wurden etwa 20 Bullen aus Vilseck und Umgebung hergebracht und an den Stangen festgebunden. Vermutlich hat das Ganze der Bauernverband organisiert. Auch der genaue Ablauf der Körung ist nicht bekannt.

Wahrscheinlich hat man dabei die schönsten und stärksten Tiere für die Zucht ausgewählt und gehandelt.

„Das war eine große Attraktion für uns Kinder, auch wenn der Ziegelanger an diesem Tag für uns tabu war,“ erinnert sich der Zeitzeuge. „Spannend und aufregend wurde es immer, wenn ein Bulle ausriss. Dann wurden wir Buben von den Bauern verscheucht und beobachteten das Geschehen aus sicheren Verstecken.“

Wann und aus welchen Gründen die Bullenschau eingestellt wurde, ist leider nicht bekannt. Auch die Betonpfosten sind längst verschwunden, und selbst die Erinnerungen an diese besonderen Ereignisse geraten langsam in Vergessenheit.

Bullenhaltung in Vilseck

Zu diesem Thema hat Rosi Hasenstab von Ägidius Weiß noch einiges erfahren. Beim Weiß in der Froschau (Tormeier) stand nämlich der letzte Bulle, der für die faselbaren Rinder der Vilsecker Bauern zuständig war.

Ägidius selber kann sich nur noch schwach an die Bullenschau auf dem Ziegelanger erinnern, kennt aber die Materie von Kindheit an.

Grundlage für die Haltung des Gemeindestiers war ein Zuchttierhaltungsvertrag mit der Stadt Vilseck, der alle sechs Jahre verlängert werden musste.

Die Buchhaltung und Kassenführung lag in den Händen des städtischen Verwaltungsangestellten Richard Kredler aus Seiboldsricht.

Ägidius Weiß blättert im vorhandenen Leitzordner, angelegt von seinem Vater Georg, in dem alle Verträge und Abrechnungen aufbewahrt werden. Er erzählt: „Die Gemeinde war zuständig, dass für die Bauern ein Zuchtbulle zur Verfügung stand.

Seit etwa 1960 hatten wir den Bummel. Vorher war er bei Hans Fenk (Schatl) in der Breiten Gasse und in den 1930er Jahren im Bummelstall bei Familie Kugler. Die umliegenden Ortschaften Axtheid, Gressenwöhr und Ebersbach hatten jeweils einen eigenen Bullen. Dieser stand bei Florian Fenk (Röipl) in Axtheid, bei Georg Fenk in Frauenbrunn und bei Josef Weiß (Brunnerbauer) in Ebersbach.

Etwa 120 Kühe wurden anfangs jedes Jahr zum Decken (Natursprung) zu uns gebracht. Meistens ging die Prozedur schnell über die Bühne. Aber hin und wieder dauerte es auch eine halbe Stunde, und manchmal funktionierte es gar nicht.

Ungefähr alle eineinhalb Jahre musste ein neuer Stier angeschafft werden. Im Auftrag der Stadt fuhren dann drei Landwirte mit meinem Vater zum Zuchtviehmarkt nach Weiden, später nach Schwandorf, und suchten nach einem geeigneten Stier, der die geforderten Kriterien erfüllte und von erfolgversprechender Abstammung war.

1981 zum Beispiel kostete der neue Bulle 9.236 DM. Das war ein Prachtexemplar. Dafür gab es natürlich auch Zuschüsse vom Landkreis, vom Bezirk und vom Zuchtverband. Der alte Stier wurde zum Schlachten weiterverkauft.

Die anfallenden Kosten für Kauf, Klauenpflege, Impfungen, Tierarzt, Anfertigung neuer Lederriemen und Eisenringe, für Versicherungen und für unsere Entschädigung wurden auf die Landwirte umgelegt. Dies waren etwa 15 bis 20 DM jährlich.

Das Tierzuchtamt Weiden kam von Zeit zu Zeit auf den Hof, um die vorschriftsmäßige Haltung zu kontrollieren,“ berichtet Ägidius Weiß.

Gefährlich war die Bullenhaltung allemal. Zum Glück gab es beim Tormeier nie Unfälle mit den Bullen, und darüber ist die Familie Weiß sehr froh.

Da die Zahl der Landwirte und Rinderhalter im Laufe der Zeit immer mehr abnahm, rentierte sich die städtische Bullenhaltung nicht mehr.

Vier Landwirte schlossen sich Ende der 1990er Jahre zusammen und leisteten sich privat einen Bullen, der ebenfalls beim Tormeier eingestellt war.

Schließlich eroberte die künstliche Besamung den Markt, denn sie war einfacher und lukrativer.

2009 verkaufte Weiß den letzten Bullen, der ein Schlachtgewicht von 789 Kilo auf die Waage brachte. Er dürfte geschätzt etwa 1400 Kilo Lebendgewicht gehabt haben.

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